Reinen Herzens
wohnen im Henker , sagten Sie, nicht wahr?«
»Danke, aber ich bleibe noch. Vielleicht kommt der Förster ja doch bald wieder. Oder ich laufe ihm bei einem Spaziergang im Wald über den Weg. Es ist herrliches Wetter.« Sie legte den Kopf schief und lächelte. »Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch auf ein Glas Wein vorbei, wenn Sie heute Abend nicht durch die gemeingefährliche Pampa streifen müssen auf der Suche nach roten Rosen .« Sie konnte nicht fassen, was sie da eben gesagt hatte – wollte sie wirklich mit diesem Naivling einen ganzen Abend verbringen? So schlimm war Alleinsein doch gar nicht. Oder doch?
John legte seine Visitenkarte auf den Tisch. »Meine Nummer, für den Fall der Fälle. Ich wohne im Drei Lilien . Die Straße runter gibt’s eine Kneipe, in der ich abends meistens bin, sie heißt Im Siebten Himmel. Ab halb zehn gibt’s Tanz, irgendjemand klimpert immer auf dem Klavier, und manchmal spielt sogar eine Band. Wenn Sie Lust haben, kommen Sie doch hin. Damit Sie einsame Jungfer ein bisschen unter die Leute kommen. Der Bus hält praktisch um die Ecke, und ich fahre Sie dann auch nach Hause.« Er grinste. »Die haben sogar recht anständigen Wein.«
»Hm, mal sehen.« Die einsame Jungfer ignorierte sie.
»Bin gespannt, was der Förster Ihnen erzählt. Vielleicht hat sich das unappetitliche Thema nach einem Gespräch mit ihm ja erledigt. Sollten Sie ihn zu Hause nicht antreffen, er ist ziemlich oft in dieser Kneipe.«
Larissa seufzte. »Na schön, ich werde kommen. Ehrlich gesagt hoffe ich, dass aus meinem Artikel nichts wird. Ich finde das Thema scheußlich. Aber ich würde doch gerne mit irgendeinem vernünftigen Artikel in die Redaktion zurückkommen. Im schlimmsten Fall werde ich mich eben an die verprügelten Freier halten. Oder ich schreibe doch noch etwas über den letzten Henker von Cheb.« Larissas Unlust, über die Kinderprostitution zu recherchieren, gewann wieder Oberhand. Der Inspektor hatte ihr deutlich zu verstehen gegeben, was er von dem Gerücht hielt. Die Chefredakteurin ebenso. Sie würde noch mit dem Förster reden, entweder hier oder abends in dieser Kneipe. Möglicherweise hechelte sie wirklich einem nicht existenten Skandal hinterher. So wie John seinen roten Rosen. Das war wirklich der größte Blödsinn, den sie bisher gehört hatte. Quecksilber, Uran und konspirative Treffen in Prager Kneipen. Pah. Und den Kontakt mit der Abteilungsleiterin aus dem Innenministerium hatte er sich vermutlich nur ausgedacht, um sie zu beeindrucken. Von dem angeblichen James-Bond-Verschnitt aus dem Finanzministerium ganz zu schweigen. Was für ein Aufschneider.
»Wenn Sie damit Goethes Henker meinen, schreiben Sie lieber ein Buch darüber. Das dürfte selbst für die Prague Post ein zu alter Hut sein. Oder haben Sie womöglich jemanden im Verdacht, in Karl Huss’ Fußstapfen getreten zu sein?« Er stand auf und verabschiedete sich.
Larissa fiel noch etwas ein. »John«, rief sie ihm hinterher.
Er drehte sich um. »Ja? Wollen Sie doch mit?«
»Nein, danke. Ich habe nur noch eine Frage – wer ist denn dieser Tscheche, den angeblich sogar ich kenne?«
»Der Chef der Prager Mordparta.« Er grinste, winkte und verschwand durch die Tür.
24
V první polovině minulého století byly popravy společenskou událostí s účastí publika.
Odmítl bys pozvání?
Touha být zlý patří k nejčastějším idealistickým omylům.
In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts waren Hinrichtungen gesellschaftliche Ereignisse vor Publikum. Hättest du die Einladung ausgeschlagen?
Böse sein zu wollen, ist einer der häufigsten
idealistischen Irrtümer.
Theodor Otčenášek saß an seinem großen, papierbedeckten Schreibtisch und seufzte. Dann schüttelte er den Kopf. Schließlich stützte er sich schwer auf seine Unterarme und beugte sich über den Tisch.
»Und das soll alles wahr sein, ja?«, fragte er sanft. Der Unglauben stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
Otakar Nebeský nickte. Es war das erste Mal, dass er alleine dem Staatsanwalt Bericht erstattete, auch wenn es eigentlich kein Bericht im engeren Sinne war und er im Grunde nur eine Bitte hatte, zu der eben diese Vorgeschichte gehörte. Aber zu der Bitte waren sie noch nicht vorgedrungen. Noch waren sie mit der langen Vorgeschichte befasst, die irgendwann hoffentlich zu Otas Bitte führen würde. Der Staatsanwalt war knapp zehn Tage auf einer Informationsreise durch die Vereinigten Staaten gewesen und hatte keine
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