Reinen Herzens
ausgestattet war. Sie versuchte, alle Gedanken an die Nächte, die sie hier verbracht hatte, zu verdrängen. Es waren nicht viele gewesen, dazu war ihr das Bett zu unbequem gewesen, sie waren meist zu ihr gegangen. Trotzdem fiel es ihr schwer, die Bilder, die in ihrem Inneren aufstiegen, zu unterdrücken. Sie ertappte sich bei der Frage, wie viele andere Frauen wohl auch in diesem Bett geschlafen hatten. War David auch mit Eva Urbanová hier gewesen? Lass das, ermahnte sie sich, das tut nichts zur Sache, das geht dich gar nichts an. Es nagte trotzdem an ihr. Sie riss ihren Blick vom ungemachten Bett los und wandte sich dem Stapel Bücher zu, der danebenstand. Die meisten davon waren offensichtlich viel benutzte Fachbücher für Mathematik, zwei befassten sich mit östlicher Philosophie und schienen noch ungelesen zu sein. Daneben lag ein Notizbuch mit einem Bleistift als provisorischem Lesezeichen. Sie schlug es auf. Davids präzise Schrift, kleine Druckbuchstaben, Ziffern und allerlei mathematische Symbole füllten die Seiten, alles sehr übersichtlich und sauber. Nichts durchgestrichen, nichts verbessert. Soweit sie das beurteilen konnte, waren es Notizen über Primzahlen und irgendwelche wohl damit zusammenhängende mathematischen Probleme, die sie nicht genauer einzuordnen vermochte. Jedenfalls nichts, was mit seiner Polizeiarbeit zu tun hatte. Auf einem Hocker unter dem Fenster lagen ein Haufen Anzüge und Hemden, davor auf dem Boden Socken, Jeans, ein paar Pullover und T-Shirts. Die übliche Unordnung. An der Wand gegenüber dem Bett hing ein Filmplakat von Pulp Fiction , auf dem Uma Thurman ausgestreckt auf einem Bett lümmelte und lasziv rauchend den Betrachter anblickte. Der zweite Grund, warum sie keinen Wert darauf gelegt hatte, hier zu übernachten. Magda hatte nichts gegen den Film, doch im Schlafzimmer fand sie dieses Poster irgendwie irritierend, sie hatte sich davon beobachtet gefühlt. Sie hatte das Schlafzimmer schnell wieder verlassen und war zu Jirka ins Wohnzimmer gegangen. Auch hier bestand die Einrichtung nur aus dem Notwendigsten: Ein schlichtes dunkelbraunes Ledersofa im Stil der Zwanzigerjahre mit einem passenden Sessel, eine alte Weinkiste als Couchtisch, bedeckt mit Fachzeitschriften und Tageszeitungen, auf denen zwei benutzte Gläser sowie ein Teller mit Brotkrümeln und ein paar vertrockneten Salamischeiben standen; an einer Wand rechts neben dem Sofa zwei weiße, mit Büchern kreuz und quer vollgestopfte Regale, die bis zur hohen Decke reichten und vor denen bedenklich hohe Bücherstapel standen. An der Wand gegenüber dem Sofa hing ein großes gerahmtes Foto, das den Times Square bei Nacht zeigte. Darunter stand auf dem Parkettboden eine Stereoanlage, neben der ein bis zum Anschlag gefülltes CD -Regal an der Wand lehnte, drum herum verstreut lagen gut zwei Dutzend CD s, dazwischen zwei benutzte Weingläser, eine fast leere Wein- und eine halb leere Wasserflasche. Unter dem Fenster stand Davids Schreibtisch, wie immer übersät von einem Durcheinander von Büchern, Zeitungen und Papieren, zwischen denen sein Computerbildschirm aufragte wie ein Leuchtturm in hoher See. Jirka hatte die Tastatur unter dem Berg hervorgeholt, den Computer hochgefahren und versuchte, sich einzuloggen.
»Hast du eine Ahnung, wie das Passwort lautet? Ich habe schon alles Mögliche versucht, aber ich komme nicht drauf. Wahrscheinlich irgendeine achtstellige Primzahl. Würde zu ihm passen.«
Magda ging zu ihm hinüber und ließ ihren Blick über den Verhau auf dem Schreibtisch schweifen. Mathematikbücher, Ausdrucke irgendwelcher Berechnungen, herausgerissene Artikel aus Fachzeitschriften so weit das Auge reichte. »Das glaube ich nicht. Das wäre viel zu naheliegend. Versuche es mal mit Fermat«, sagte sie nach einer Weile. Im Schlafzimmer neben dem Bett war ihr ein fast schon zerfleddertes Büchlein über den Mathematiker aufgefallen.
Jirka gab den Namen ein. Er schüttelte den Kopf.
»Dann versuche es mal mit FerMath.« Sie buchstabierte es für ihn.
»Bingo«, erwiderte er zufrieden. »Danke. Darauf wäre ich in hundert Jahren nicht gekommen. So, dann sehen wir uns das mal an.« Er begann, sich durch die Dateien auf der Festplatte zu klicken, während Magda in die kleine Küche ging.
Auch hier herrschte das Chaos. Auf der Arbeitsfläche stand schmutziges und sauberes Geschirr durcheinander. Kein Wunder, dachte sie, dass David an jenem Abend von der Aussicht, mit ihr in seine Wohnung zu gehen, nicht
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