Reinen Herzens
hatte sie nicht interessiert, was vor ihr gewesen war. Schließlich hatte jeder irgendeine Vergangenheit. Seit sie aber von der Affäre mit Eva Urbanová erfahren hatte, ließ es ihr keine Ruhe. War es wirklich nur eine einmalige Sache gewesen? Wirklich nur eine benebelte Nacht?
»Vielleicht kann er nicht anrufen.«
»Vielleicht ist er doch tot. Oder er ist bei dieser Urbanová.« Einen winzigen Moment lang war sie sich nicht sicher, welche der beiden Möglichkeiten schlimmer wäre. Dumme Gans, schalt sie sich, erschrocken über ihren Egoismus, du wirst hysterisch und gemein. Sie trank einen Schluck Wein, dann noch einen, schließlich leerte sie das Glas. Der Wein war ausgezeichnet. Sie fühlte, wie der Alkohol ihr ins Gehirn stieg, die hässlichen Gedanken vernebelte. Sie wollte nicht über Davids verflossene Frauen nachdenken. Entschlossen griff sie nach der Flasche und schenkte sich großzügig nach.
Jirka betrachtete sie nachdenklich. Magda war auf dem besten Weg, sich zu betrinken. Vielleicht keine schlechte Idee. Er trank aus und schenkte sich ebenfalls nach.
Sie hielt ihm ihr Glas hin. » Nazdraví .«
Er stieß mit ihr an. »Und auf deine Gesundheit. Aber – viel hilft nicht viel«, sagte er mit einem Augenzwinkern.
»Was meinst du damit?« Sie nahm einen großen Schluck.
»Die Flasche ist gleich leer. Ist vielleicht ein bisschen viel, in so kurzer Zeit.« Ach was, dachte er, ein, zwei Flaschen Wein waren nicht weiter tragisch. Später würde er sie nach Hause bringen und dann ein Taxi nehmen. Seinen Wagen konnte er morgen hier abholen. Er dachte an den ersten und leider einzigen Abend, den sie zusammen verbracht hatten. Er hatte die neue Kollegin zum Essen eingeladen, zum Kennenlernen. Es war ein schöner Abend gewesen, gutes Essen, eine bezaubernde Frau, ein angeregtes Gespräch. Er hatte sich damals gewissen Hoffnungen hingegeben, sie schien ihn ebenso sympathisch und anziehend zu finden wie er sie. Doch dann war sie David Anděl begegnet. Und seine Hoffnungen waren an jenem Abend im August, als sie nach Abschluss des Falles der Mumie aus der Metro ein Fest in ihrer Wohnung gegeben hatte, zerplatzt wie Seifenblasen. Er war mit seinem Strauß blutroter Rosen auf die Terrasse gekommen und hatte die beiden dort in ziemlich eindeutiger Umarmung stehen sehen. Die Eifersucht, die ihn damals durchflutet hatte, brandete wieder auf. Er spülte die hässlichen Gedanken, die in seinem Kopf herumspukten, mit einem weiteren Schluck Wein weg. Heute Abend wollte er nicht an David denken, nicht an das, was möglicherweise geschehen war, sich nicht den Kopf darüber zerbrechen, ob David tot oder lebendig war, nicht darüber nachdenken, was für Folgen diese beiden Möglichkeiten für ihn haben mochten. Nur den Abend mit einer bezaubernden Frau genießen. Eine Auszeit von der Wirklichkeit. Er lächelte. Magda schien es ebenso zu gehen.
»Stimmt. Wir müssen die zweite Flasche ja nicht ganz leer machen, nur noch ein Gläschen oder zwei und dann ab nach Hause. Ich habe es glücklicherweise nicht weit«, sagte sie. »Und vor dem Haus ist ein Taxistand. Du musst also nicht auf einer Parkbank schlafen. Zur Not habe ich auch ein Gästezimmer.« Sie stand auf, schwankte ein bisschen und ging zur Bar, um eine weitere Flasche Wein zu holen. Leidenschaftliche Bilder von David und Eva Urbanová, die sie gar nicht kannte, die aber trotzdem ein verschwommenes Gesicht bekam, tanzten durch ihren Kopf. Dazwischen mischte sich das Filmplakat, Uma Thurman räkelte sich auf dem Poster oder war es Davids Futon? Magda hatte nicht die Kraft, sich gegen diese schmerzhaften Fantasien zu wehren. Sie fühlte sich davon abgestoßen und angezogen zugleich. Vorsichtig ging sie zurück und setzte sich. Jirkas Rasierwasser stieg ihr in die Nase. Davids Parfüm. Auch das noch. Warum nur musste Jirka ausgerechnet das gleiche benutzen? Sie hoffte, dass ihr aus dem Lot geratener Geruchssinn sich bald wieder normalisieren würde. Sie hatte sich eingebildet, es sei etwas besser geworden, aber es war wohl wirklich nur Einbildung gewesen. Einen Moment lang sah sie statt Jirka David vor sich sitzen. Die Bilder tanzten weiter. Es kribbelte in ihrem Bauch. Denk an Zitronen, dachte sie, an eine kalte Dusche, an Eiswürfel. Sie musste dringend auf andere Gedanken kommen. »Erzähl mir was«, sagte sie energisch und nahm wieder einen Schluck aus ihrem Glas. »Egal was. Die Geschichte deines Lebens, meinetwegen. Wie habt ihr euch eigentlich kennengelernt,
Weitere Kostenlose Bücher