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Reinen Herzens

Reinen Herzens

Titel: Reinen Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helena Reich
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Bergwerke?«
    »Ach, nein, eigentlich nicht«, wehrte sie ab, »ich weiß ja gar nichts darüber. Aber die Geschichte, die er erzählt hat, klang so absurd, dass ich ins Grübeln gekommen bin. Was wollte er denn genau von Ihnen wissen?«
    »Kurz gesagt, alles über die Uranbergwerke, die es hier gab. Wer, was, wann, warum – na, wem erzähle ich das, all die Fragen, die Journalisten eben stellen. Wie er auf mich gekommen ist, weiß ich nicht. Aber ich konnte ihm einiges sagen, ich habe in einem davon ein paar Jahre gearbeitet … war politischer Häftling … lange her, Gott sei Dank. Und überlebt habe ich es auch, im Gegensatz zu manch anderen … Habe seit Jahren nicht mehr an die Zeit gedacht, man sollte nicht ewig in der Vergangenheit rumrühren, ändert ohnehin nichts mehr, nicht wahr. Wie heißt es so schön – die Vergangenheit ist Geschichte, die Zukunft nur ein Gerücht …« Mottl stutzte plötzlich. »Natürlich …«, flüsterte er, »… das muss es sein … der Alte … der Stollen …« Er starrte einen Moment lang an Larissa vorbei aus dem Fenster, dann schüttelte er den Kopf, als wolle er unangenehme Gedanken verscheuchen. »Entschuldigen Sie bitte, mir ist nur gerade etwas eingefallen …«
    »Ja?«, fragte Larissa interessiert.
    »Ach«, Mottl winkte ab, »nichts weiter. Vergangene Zeiten, alte Geister«, erwiderte er zerstreut. »Haben Sie noch weitere Fragen? Ich … äh, habe nämlich noch ein bisschen was zu tun.«
    »Noch eine letzte, Herr Mottl«, sagte Larissa, obwohl sie ihm gerne noch weit mehr als nur eine Frage gestellt hätte. Was war dem alten Mann gerade eingefallen? Sie scheute sich, danach zu fragen, da er auf ihr Nachhaken so reserviert reagiert hatte. Man sollte die Geduld der Leute nicht überstrapazieren. Sie konnte ja noch mal wiederkommen. »Würden Sie mir noch sagen, wie Ihr Freund, dieser Rechtsmediziner, genau heißt? Ich würde gerne mit ihm sprechen.«
    »Er sitzt in Karlsbad. Prokop Tatarka. Grüßen Sie ihn von mir, er soll nicht vergessen, dass wir übermorgen verabredet sind.«
    Larissa bedankte sich, packte ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich. Gustav Mottl brachte sie bis zum Gartentor.
    »Sie können gerne wiederkommen. War nett, mit Ihnen zu plaudern … und passen Sie auf sich auf.«
    Larissa sah ihm nach, wie er eilig ins Haus ging. Bis er von diesen Bergwerken erzählt hatte, war er die Geduld selbst gewesen – und nun hatte er plötzlich zu tun. Ihr Interesse an Johns Uran- oder Quecksilbergeschichte wuchs langsam, aber stetig. Sie musste ihn unbedingt noch mal danach fragen. Heute Abend, in dieser Kneipe, Im Siebten Himmel. Hoffentlich konnte der Laden wenigstens halbwegs mit seinem Namen mithalten.
    Zufrieden mit ihrer Ausbeute wandte sie sich nach links, in Richtung der Bushaltestelle Slatina. Ein Spaziergang am See würde ihr jetzt gut tun. Sie hätte ihn fragen sollen, wo genau das Auto mit dem Prager Kennzeichen versenkt worden war. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie noch mal zurückgehen sollte, entschied sich aber dagegen. Gedankenverloren schlenderte sie den Feldweg entlang, vorbei an dem Restaurant, wo sie mit John Ketchum gesessen hatte. Einige Meter weiter entdeckte sie linker Hand eine Art kleinen Zoo; in einem Gehege sah sie Damwild und in einer großen Voliere zwei Schneeeulen, die mit eingezogenen Köpfen nebeneinander auf einem geschützten Ast kauerten. Sie sah den Tieren eine Weile zu und ging dann weiter, als sei sie eine Touristin und verfüge über endlos viel Zeit. Erst als sie das Ende des Sees erreicht hatte, ergab sich die Möglichkeit, direkt ans Ufer zu treten. Sie ging die wenigen Schritte zum Wasser und genoss die friedliche Stille. Ihre Augen wanderten rechts am Ufer entlang, bis zu der Insel, deren Gebüsch den Blick auf das Försterhaus verbarg, weiter auf die gegenüberliegende Seite des Sees, der von verschneiten Feldern gesäumt wurde, und am linken Ufer, das wieder von hohem Gebüsch umgeben war, zurück. Im Sommer musste das hier ein herrlicher Badesee sein. Die Sonne neigte sich inzwischen dem Horizont zu, die Schatten wurden länger. Sie hatte mehr Zeit beim Förster verbracht, als sie gedacht hatte. Das Wasser, das in den goldenen Strahlen der Sonne glitzerte, lag nahezu regungslos vor ihr. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen und suchte im Kies am Ufer nach flachen Steinen. Sie bückte sich und versuchte einen so flach wie möglich über das Wasser zu werfen. Eins, zwei, drei, vier, fünf –

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