Reinheit: Chronik der Freiheit - Band I (German Edition)
sein.
„Aber es gibt noch weitaus wichtigere Probl eme, die die Union zu sprengen drohen. Die Stimmen, die nach Gerechtigkeit rufen, werden immer lauter und, ja, ich kann sie hören. Ich kann sie sogar verstehen, aber Gerechtigkeit ist eine schwierige Sache. Denn sie erfordert die Mitwirkung der gesamten Gesellschaft, wenn Teile derselben nicht bereit sind, für die Gerechtigkeit einzustehen, dann wird dieses ehrenhafte Vorhaben scheitern.“
Die Menschen jubelten nach wie vor frenetisch ihrem Präsidenten zu.
Ich nahm einen tiefen Atemzug. Schloss mein Auge, das nicht durch das Fernrohr sah, spannte meinen ganzen Körper an, um den Rückstoß abzufedern, konzentrierte mich auf mein Ziel und drückte ab.
Ein lauter Knall hallte durch die Luft.
Nur wenige Sekunden vergingen und ich sah erneut durch das Zielfernrohr.
Akt V
Es klaffte ein Loch im Kopf des Präsidenten. Noch hielt er sich auf den Beinen, aber seine Rede stoppte abrupt. Doch aus der Wunde in seinem Kopf trat kein Blut aus.
Ich blickte verunsichert durch mein Zielfernrohr und untersuchte die Wunde an seinem Kopf. Und, so merkwürdig es sich anhören mochte, es blinkte etwas in seinem Kopf. Da war weder Fleisch noch Blut noch ein Gehirn zu sehen, stattdessen waren dort Schaltkreise.
Das war eine Maschine. Der Präsident hatte mir womöglich eine Falle gestellt.
Ich robbte langsam auf dem Dach zurück, denn nun würden sie nach mir suchen lassen. In diesem Moment spürte ich den aufwirbelnden Wind von Bloomquvists Gleiter. Er schwebte direkt auf mich zu.
Sanft setzte er auf dem Dach auf und öffnete die Tür zum Inneren des Gleiters.
„Wie ist das möglich?“, fragte ich ihn vollkommen verunsichert.
Doch er winkte mich nur zu sich und wollte mir so bedeuten, dass ich einsteigen solle. „Das kö nnen wir später noch klären. Jetzt müssen wir dich erst einmal in Sicherheit bringen.“
Mühselig drückte ich meinen Körper vom Boden ab. Ich war wie gelähmt. In meinem Kopf sah ich nur diese Kopfwunde und ich hatte dieses dumpfe Gefühl, betrogen worden zu sein.
Hatte man das geplant oder war es lediglich ein Zufall gewesen? Aber wenn das geplant war, dann musste Maximilian von mir und unseren Plänen wissen. Und wenn er davon wusste, dann waren Bloomquvist und seine Familie in großer Gefahr, denn Maximilian würde sicher nicht davor zurückschrecken, auch sie zu töten.
Ich setzte mich neben Bloomquvist in den Fli eger. Das Gewehr ließ ich einfach auf dem Dach liegen. Sie werden es sicher untersuchen und dann sehen können, dass ich die Attentäterin war, aber das war mir egal.
Maximilian sollte ruhig wissen, wer ihn auf dem Gewissen hatte.
„Oh mein Gott“, entfuhr es der geschockten Sekretärin. Sie hatte die Hände vor dem Mund und starrte ungläubig aus dem Fenster des Wagens heraus.
Maximilian war hingegen deutlich abgeklärter. Er rechnete bereits mit einem solchen Attentat. „Fa szinierend, oder? Sie scheint sehr viel stärker zu sein, als ich dachte.“
„Stellen sie sich nur vor, sie hätten dort gesta nden. Dann hätten sie jetzt einen sauberen Einschuss in ihrem Schädel.“
Maximilian nickte. „Aber glücklicherweise haben wir ein Double platziert. Unsere Informanten ha tten also nicht gelogen.“
Die Sekretärin sah den Präsidenten entschlossen an. „Wir müssen diese Menschen, die das dort zu verantworten haben, zur Rechenschaft ziehen.“
Maximilian machte mit seinen Händen eine beschwichtigende Geste. „Alles zu seiner Zeit. Sie werden ihrer gerechten Strafe schon noch zugeführt werden.“
„Wie können sie so ruhig bleiben?“ Die Sekret ärin war sichtlich verwirrt über Maximilians Verhalten in dieser Situation.
Doch er zuckte mit den Schultern. „Was soll ich ihrer Meinung nach sonst tun? Mich aufregen, es wäre umsonst. Rache schwören, wäre ebenso sinnlos. Ich kann nur ruhig bleiben.“
Die junge Dame nickte.
Maximilian drückte auf einen Knopf, der sich an der Tür der Limousine befand. Man hörte eine tiefe, männliche Stimme. „Ja?“
„Fahren sie uns wieder zurück.“
Mit einem sanften Ruck setzte sich der Wagen in Bewegung und fuhr aus der kleinen Nebengasse heraus. Sie umfuhren das Geschehen auf der Par ade geschickt, denn dort herrschte jetzt eine rege Panik.
Die anderen anwesenden Gäste fürchteten um ihr Leben und liefen dementsprechend kopflos über die ganze Allee. Einige versuchten sich , hinter den Paradewagen in Sicherheit
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