Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
zwei große Probleme: Die Älteren trinken immer weniger, und wenn die Jüngeren trinken, dann gleich richtig harte Sachen. Vom Komasaufen haben Brauereien allerdings gar nichts …
Wenn die „Nationale Verzehrstudie II“ [15] (so etwas gibt es wahrscheinlich auch nur in Deutschland) feststellt: „Der Durst stimmt“, dann bezieht sich das auf die anderthalb Liter Flüssigkeit, die der Bundesbürger pro Tag locker zu sich nimmt. Mehr als die Hälfte davon ist allerdings ganz normales Wasser. Kaffee sowie schwarzer und grüner Tee machen ein weiteres Viertel aus. Nix Bier her!
Selbst die Begeisterung für Fleisch- und Wurstwaren sinkt. In der Heimat von Currywurst und Thüringern gibt es inzwischen rund sechs Millionen Vegetarier. Gerade junge Deutsche verzichten immer öfter auf Fleisch, und es bleibt zu hoffen, dass sich mittelfristig auch der nach wie vor gewaltige Unterschied in den Essgewohnheiten von Männern und Frauen verringert. Während Erstere im Schnitt pro Tag 103 Gramm Fleisch verschlingen, kommen Letztere gerade mal auf 53. [16] Meine Herren, schon mal darüber nachgedacht, warum das Verhältnis bei der durchschnittlichen Lebenserwartung nicht ganz so günstig ist? Die komplett vegetarischen Varianten von Gyros, Currywurst & Co sind gar nicht so schlecht. Und selbst Fleischsalat gibt es heute ganz ohne Fleisch.
Unser täglich Brot
Der Adolf-Grimme-Preis ist eine der renommiertesten Fernsehauszeichnungen, die es in Deutschland zu gewinnen gibt. Ina Müller hat ihn bekommen, Alexander Kluge und Harald Schmidt haben ihn, Günther Jauch und Anke Engelke, Anne Will und – man höre und staune – Bernd das Brot. Ja, Sie lesen richtig: Die Jury hat neben all den Stars und TV-Persönlichkeiten ein sprechendes und für seinen Fatalismus bekanntes Kastenbrot geehrt.
Das gibt es wirklich nur hier, in einem Land, in dem die Bitte aus dem „Vater unser“ wie sonst nirgends erfüllt wird: „Unser täglich Brot gib uns heute“ ist für die Deutschen mehr Lebenseinstellung als Gebetszeile. Da können Trennkost und kohlehydratarme Diäten noch so sehr in Mode sein: Unglaubliche 94 Prozent der Bundesbürger essen jeden Tag Brot und können dabei laut Werbung der Bäckerinnung unter einer „weltweit einmaligen Vielfalt“ wählen.
In Deutschland gibt es mehr Sorten Brot (300) und Kleingebäck (1200) als Einwohner im Vatikan. Wir haben nicht nur eine 7000 Jahre alte Backkultur, sondern im Deutschen Lebensmittelbuch zudem die genaueste und schönste Definition für unser Lieblingsnahrungsmittel: „Brot wird ganz oder teilweise aus Getreide und/oder Getreideerzeugnissen, meist nach Zugabe von Flüssigkeit, sowie von anderen Lebensmitteln (zum Beispiel Leguminosen-, Kartoffelerzeugnisse) in der Regel durch Kneten, Formen, Lockern, Backen oder Heißextrudieren des Brotteigs hergestellt. Brot enthält weniger als 10 Gewichtsteile Fett und/oder Zuckerarten auf 90 Gewichtsteile Getreide und/oder Getreideerzeugnisse.“ Lecker, nicht?
Überhaupt stellt sich die Frage, ob sich Völker und Nationen nicht am besten über die Brotsorte beschreiben lassen, die sie am liebsten essen. Die gut gebauten, knorrigen Schweden haben ihr Knäckebrot, die Franzosen ihr Baguette, diesen weizengewordenen Phallus. Die häufig etwas blassen Engländer haben ihren ebenso blassen, labberigen Toast, die Türken sind ohne ihr körniges Fladenbrot nicht vorstellbar, Stichwort: Döner.
Und wir? Wir essen Schwarzbrot. Das ist so typisch deutsch, dass man es praktisch nirgendwo sonst auf der Welt bekommt. Kaum ein Auswanderer, der sich nicht im Fernsehen oder in Büchern darüber beklagt, dass sein neues Leben perfekt sein könnte, wenn die Sehnsucht nach Vollkornbrot nicht wäre.
Ohne Vollkornbrot wäre auch Herr Müller-Hohenstein nicht denkbar. Die blaue Tupperdose ist das Erste, was er morgens aus seiner Aktentasche holt, und spätestens, wenn ein leichter Schwarzbrot-Mettwurstgeruch den Großraum erfüllt, wissen wir, dass Herr Müller-Hohenstein die erste Pause macht. In der Regel ist das nach einer halben Stunde.
Wir Kollegen sind ziemlich sicher, dass Herr Müller-Hohenstein mehr als die 43 Kilo Brot im Jahr verspeist, die rein rechnerisch auf jeden Haushalt entfallen. Außerdem hat er in unserer Firma mit seiner Vorliebe für dunkle Stullen eine Metapher geprägt: „Schwarzbrot“ nennen wir Arbeit, die nahezu täglich anfällt, nicht besonders lustvoll ist, und an der man im Zweifel lange zu kauen hat. Nein, das
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