Reinlich & kleinlich?! - wie die Deutschen ticken
überfüllten Tierheime auf der anderen. Und am Ende der Leine stellt sich die Frage, wes Geistes Kind eigentlich die Herrchen und Frauchen sind, die ihren Lieblingen nicht nur verschiedene Halsbänder, sondern auch Lackschuhe, Hochzeitskleider, Bademäntel, Sonnenbrillen und Bio-Fresschen kaufen. Die Vermenschlichung ist so weit fortgeschritten, dass es für Hunde sogar spezielle Kinderwagen und eigene Sofas gibt, von seltsamen Gummipuppen für einen bestimmten Zweck – ja, genau dafür! – ganz zu schweigen.
Zumindest der Rüde soll es offenbar nicht schlechter haben als der durchschnittliche deutsche Mann. Deshalb gibt es gerade für ältere Hunde inzwischen auch Mittel, die gegen Mundgeruch helfen. Diese wiederum dürften vor allem von jenen Frauchen gekauft werden, die mit ihrem Liebling auch dann noch kuscheln und knutschen wollen, wenn er, in Menschenleben umgerechnet, das neunzigste Lebensjahr lange überschritten hat. Bleibt die Frage, warum die Damen sich dabei nicht an den Gesichtshaaren stören …
Das ist doch mein Bier!
Oder: Das ist mir Wurst!
Dieses Kapitel hätte es niemals gegeben, wenn mein Schwager nicht an einer Universität in Singapur seinen MBA gemacht und, noch wichtiger, dort die „Heart of Europe Week“ organisiert hätte. Das war meine Chance zu erfahren, was der Rest der Welt über Deutschland denkt! Junge Menschen aus knapp 100 Nationen, befragt aus erster Hand, aufgezeichnet mit der Videokamera, sollten sagen, was sie als Erstes mit unserer schönen Heimat verbinden.
Ein Traum, und genau der empirische Teil, der für dieses Buch noch fehlte.
Mein Schwager und ich waren sehr gespannt, was den Unternehmensberatern, Investmentbankern und künftigen Vorstandsvorsitzenden, kurz: den High Potentials unserer Zeit zu dem wichtigsten Land im Herzen Europas einfallen würde. Würde ihnen Einstein vor Schiller in den Sinn kommen? Würden sie bei Deutschland nicht nur an Beethoven, sondern fälschlicherweise auch an Mozart denken? Und was war mit Martin Luther? Käme er vor Johann Sebastian Bach und Gottfried Daimler oder danach? Dass Goethe in jeder zweiten Antwort auftauchen würde, war uns klar, und irgendwie befürchteten wir, dass Franz Beckenbauer unverhältnismäßig oft genannt werden würde. Schließlich waren unter den Befragten jede Menge fußballverrückter Südamerikaner.
Und dann das! Die ersten neun Antworten auf die Frage „Was verbindest du mit Deutschland?“, fielen wie folgt aus:
„Beer and Sausages.“ (Neuseeland)
„Oktoberfest with a lot of beer.“ (Vietnam)
„Beer, of course.“ (Libanon)
„Beer and Sausages and the Oktoberfest.“ (Italien)
„Bier her, Bier her, oder ik fall um.“ (USA)
„Beer. And what else? Sausages.“ (Südafrika)
„Beer, very good beer.“ (Singapur)
„Did anyone say beer? I say sausages.“ (Indien)
„Beer and Hefeweizen.“ (Niederlande)
Erst beim zehnten Befragten schöpfte mein Schwager, und später ich beim Betrachten des Films, Hoffnung. Der nette junge Mann aus Malaysia war der Erste, dem eine Person zu Deutschland einfiel. „I know, you like him a lot“, sagte er geheimnisvoll, und vor dem Bildschirm formten meine Lippen lautlos ein „Goethe“. Nicht ganz: „The Germans love David Hasselhoff, right?“ Kurze Pause. „And beer, millions of litres of beer.“
So sieht’s also aus. Bloß weil am 23. April 1516 bei uns mit dem deutschen Reinheitsgebot für Bier das älteste Lebensmittelgesetz der Welt formuliert wurde, gelten wir für alle Zeiten als Humpen schwingende und Fässer anstechende Barbaren, die ihren Suff, wenn überhaupt, nur unterbrechen, um fette Würste und Sauerkraut in sich hineinzustopfen. „Bier ist Deutschland!“ Das klingt nach Geistern, die wir gerufen haben und nicht wieder loswerden und ist zudem ein Werbeslogan der deutschen Brauer. Deren eigenwillige Definition der Nationalfarben lautet wie folgt: „Bier ist rein“ (Schwarz), „Bier ist Genuss“ (Rot), „Bier ist Deutschland“ (Gold).
Dabei sind die Zahlen in dieser Frage bei Weitem nicht mehr so eindeutig, wie sie es vielleicht einmal gewesen sind. Die Bundesrepublik hält mit 1300 Brauereien zwar immer noch den Weltrekord. Aber der Bierkonsum geht seit Jahrzehnten zurück, 2010 war er auf dem niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. [14] Viele Produzenten haben bereits auf die Herstellung von alkoholfreien Getränken umgeschwenkt, selbst Bio-Limonaden kommen heute aus traditionsreichen Brauereien. Denn die haben
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