Reise durch die Sonnenwelt
das weiß ich wohl, mein Herr, unterbrach ihn Palmyrin Rosette.
– Und folglich, setzte Lieutenant Prokop hinzu, erreicht das Volumen der Gallia noch lange nicht das des Mondes, welches den neunundvierzigsten Theil des Erdvolumens darstellt.
– Wer hat davon überhaupt eine Sylbe gesprochen? warf der in seiner Eigenliebe verletzte Gelehrte ein.
– Also, fuhr Lieutenant Prokop unerbittlich weiter fort, kann die Gallia von der Erde aus nicht mehr sichtbar sein als ein Stern siebenter Größe, das heißt, sie ist jetzt mit bloßem Auge gar nicht mehr zu erkennen.
– Alle Wetter, rief Ben-Zouf, das ist mir ein hübscher Komet! Und auf diesem Krümelchen laufen wir herum!
– Ruhe! rief Palmyrin Rosette ganz außer sich.
– Ein kleines Nüßchen, eine Kichererbse, ein Senfkörnchen! fuhr Ben-Zouf fort, um sich doch einmal an dem Gelehrten zu rächen.
– Schweig, Ben-Zouf! befahl ihm auch Kapitän Servadac.
– Ein Stecknadelkopf! Noch mehr, das Nichts von einem Nichtse!
– Alle Wetter, wirst Du still sein?«
Ben-Zouf bemerkte, daß sein Kapitän ernstlich böse wurde, er räumte also das Gemach, rief durch das hellste Lachen aber alle Echos der vulkanischen Bergwand wach.
Es war die höchste Zeit gewesen, daß er ging. Palmyrin war nahe daran gewesen, alle Rücksichten zu vergessen, und brauchte längere Zeit, um sich einigermaßen zu beruhigen. Seine Empfindlichkeit bezüglich des Kometen glich eben ganz der Ben-Zouf’s bezüglich des Montmartre. Jeder vertheidigte seinen Schützling mit eifersüchtiger Hartnäckigkeit.
Endlich fand der Professor die Sprache wieder und wandte sich an seine Schüler, oder vielmehr an seine Zuhörer wie folgt:
»Wir kennen nun, meine Herren, begann er, Durchmesser, Umfang, Oberfläche und Volumen der Gallia. Das ist wohl etwas, aber noch nicht Alles. Ich muß nun durch directe Messung noch deren Masse und Dichtigkeit, sowie die Intensität der Schwerkraft auf ihrer Oberfläche zu bestimmen suchen.
– Das dürfte wohl schwierig werden, meinte’ Graf Timascheff.
– Thut nichts. Ich brauche dazu nur zu wissen, wieviel mein Komet wiegt.
– Die Lösung dieses Problems, bemerkte Lieutenant Prokop, erscheint mir etwas erschwert durch den Umstand, daß wir die Natur der Substanz, aus welcher die Gallia besteht, ganz und gar nicht kennen.
– Ah, Sie kennen diesen Stoff also nicht? erwiderte der Professor.
– Nein, antwortete Graf Timascheff, und wenn Sie uns in dieser Hinsicht aufzuklären vermöchten …
– O, meine Herren, was geht mich das an? sagte Palmyrin Rosette. Ich werde meine Fragen auch ohnedem zu lösen wissen.
– Wenn Sie es wünschen, lieber Professor, stehen wir jederzeit zu Ihrer Verfügung, erklärte Kapitän Servadac.
– Noch habe ich einen Monat lang Beobachtungen anzustellen und Rechnungen auszuführen, antwortete Palmyrin Rosette abweisend, und Sie werden sich, denke ich, gedulden, bis ich zu Ende bin!
– Aber, Herr Professor, entgegnete Graf Timascheff zuvorkommend, wir warten selbstverständlich so lange es Ihnen beliebt.
– Und selbst noch etwas länger, setzte Kapitän Servadac hinzu, der diesen Scherz nicht zurückhalten konnte.
– Nun wohl, schloß Palmyrin Rosette, so stellen Sie sich nach Ablauf eines Monats, also am kommenden 62. April wieder ein.«
Dieses Datum entsprach dem 31. Juli des Erdenkalenders.
Sechstes Capitel.
Worin man sich überzeugen wird, daß Palmyrin Rosette alle Ursache hatte, das Material der Kolonie lückenhaft zu nennen.
Inzwischen kreiste die Gallia unter dem Einflusse der Anziehungskraft der Sonne ruhig durch die Planetenräume weiter. Bisher erlitt ihre Bewegung von keiner Seite her eine Störung. Der Planet Nerina, den sie sich bei Durchschreitung der Asteroïden-Zone geraubt, blieb ihr treu und vollendete gewissenhaft seinen halbmonatlichen Umlauf. Es gewann den Anschein, als sollte das ganze Gallia-Jahr ohne jede Störung verlaufen.
Die Hauptsorge unserer unfreiwilligen Bewohner der Gallia betraf jedoch immer noch die Frage, ob jene zur Erde zurückkehren werde. Hatte sich der Astronom in seinen Berechnungen nicht getäuscht? Durste man die Bestimmung der neuen Bahn des Kometen und die der Dauer seiner Umlaufszeit für verläßlich ansehen?
Palmyrin Rosette’s argwöhnische Natur, die bei den unschuldigsten Fragen nach versteckten Ursachen suchte, erlaubte es nicht, den Wunsch nach einer wiederholten Durchsicht seiner Arbeiten gegen ihn zu äußern.
»Bei der Beschäftigung mit
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