Reise durch die Sonnenwelt
Dutzenden fielen die Getroffenen. Es war keine Jagd, vielmehr die Ausrottung einer frechen Räuberbande.
Statt der nördlichen Küste der Insel zu folgen, schlug Ben-Zouf einen Weg quer über die Ebene ein.
Der Jude eilte ganz außer sich sofort auf den Stabsofficier zu. (S. 171.)
Nach zehn Minuten schon hatten, Dank ihres verminderten specifischen Gewichtes, Kapitän Servadac und seine Begleiter die zwei Kilometer, von denen Ben-Zouf vorher sprach, zurückgelegt, und erreichten damit ein umfängliches Dickicht von Sykomoren und Eukalypten, welches sich anmuthig längs des Fußes eines kleinen Hügels hin erstreckte. Hier machten sie Halt.
»O, diese Schurken! Diese Banditen! Diese Beduinen! rief Ben-Zouf den Boden stampfend.
– Meinst Du damit immer wieder die Vögel? fragte Kapitän Servadac.
– Ei nein, mein Kapitän! Ich rede von diesen vermaledeiten Faullenzern hier, die schon wieder ihre Arbeit im Stiche gelassen haben! Da, sehen Sie nur!«
Ben-Zouf wies bei diesen Worten auf verschiedene Sicheln, Sensen, Rechen und andere Werkzeuge und Geräthe, welche auf der Erde umher lagen.
»Nun, zum Kuckuck, Meister Ben-Zouf, wirst Du Dich bald erklären, um was es sich hier handelt? fragte Kapitän Servadac, dem allmälig die Geduld ausging.
– Still, mein Kapitän, hören Sie, hören Sie! erwiderte Ben-Zouf. Nein, ich täuschte mich nicht.«
Bei schärferem Aufhorchen konnten Hector Servadac und seine beiden Gefährten eine singende Stimme, eine schnarrende Guitarre und tactmäßig klappernde Castagnetten hören.
»Spanier! rief Kapitän Servadac.
– Und das ist noch gar nichts, sagte Ben-Zouf, die Leute schlagen ihre Castagnetten noch vor der Mündung einer Kanone!
– Aber was bedeutet das Alles? …
– Hören Sie erst, jetzt kommt der Alte an die Reihe.«
Isaak Hakhabut.
Eine audere Stimme, welche nicht sang, ließ sich mit heftigen Vorwürfen Kapitän Servadac verstand als geborner Gascogner hinlänglich spanisch. Nach einem Verse, welcher wie folgt:
Tu sandungo y cigarro
,
Y una cana de Jerez
,
Mi jamelgo y un trabuco
,
Que mas gloria puede haver
. 1
lautete, hörte man die andere scharfklingende Stimme wiederholt rufen:
»Mein Geld! mein Geld! Werd’ ich endlich erhalten mein Geld, das Ihr mir schuldig seid, Ihr erbärmlichen Majos!«
Darauf erklang das Lied weiter:
Para Alcarrazas, Chiclana
,
Para trigo, Trebujena
,
Y para ninus bonitas
,
San Lucar de Barrameda.
2
»Ja, Ihr sollt mir bezahlen meine Forderung, Ihr Spitzbuben! erscholl wieder jene Stimme unter dem Geräusch der Castagnetten. Ihr werdet sie mir zahlen bei dem Gotte Abraham’s, Isaak’s und Jakob’s!
– Ei zum Teufel, das ist ja ein Jude! rief Kapitän Servadac.
– Ja, und was das Schlimmste ist, ein deutscher Jude.«
Gerade als die beiden Franzosen und die zwei Russen aber sich in das Baumdickicht begeben wollten, hielt sie ein merkwürdiges Schauspiel an dessen Rande zurück. Die Spanier begannen eben einen echt nationalen Fandango. Entsprechend ihrer Gewichtsabnahme, wie der aller auf der Gallia befindlichen Gegenstände, sprangen sie dabei wohl dreißig bis vierzig Fuß in die Höhe und wurden somit oberhalb der Bäume sichtbar, was einen unbeschreiblich komischen Anblick gewährte. Es waren ihrer drei muskulöse Majos, die einen alten Mann mit sich emporhoben, der sich sehr wider Willen in solch ungewohnte Höhe versetzt zu sehen schien. Man sah ihn erscheinen und verschwinden, wie es einst dem Sancho Pansa erging, als ihn die lustigen Tuchmacher von Segovia im Uebermuthe prellten.
Hector Servadac, Graf Timascheff, Prokop und Ben-Zouf betraten neugierig das Gehölz und gelangten bald nach einer kleinen Lichtung. Dort wanden sich ein Guitarrespieler und ein Castagnettenschläger, welche am Boden lagen, vor Lachen und feuerten die Tänzer immer mehr und mehr an.
Beim Anblick Kapitän Servadac’s und seiner Begleiter verstummten die Musiker plötzlich, und die Tänzer fielen, ihr unglückliches Opfer in der Mitte, sanft zur Erde nieder.
Athemlos und ganz außer sich eilte der Jude sofort auf den Stabsofficier zu und redete ihn jetzt französisch, doch mit sehr deutschthümelndem Dialect an.
»Ah, Herr General-Gouverneur! rief er, diese Schurken wollen mir stehlen mein Hab’ und Gut. Aber beim ewigen Gott, Sie werden mir helfen zu meinem Rechte!«
Verwundert sah Kapitän Servadac auf Ben-Zouf, als wolle er diesen fragen, wie er zu dieser ehrenvollen Titulatur komme,
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