Reise durch die Sonnenwelt
sie nicht viel an etwas Anderes. Was meinen Sie dazu, Graf Timascheff?
– Ich denke, antwortete der Gefragte, es ist besser, ihnen die Wahrheit zu sagen, wie ich es auch gegenüber meinen Leuten von der Dobryna gehalten habe.
– Das ist auch meine Ansicht, erklärte Kapitän Servadac, und ich glaube nicht, daß wir daran gut thun würden, Denjenigen bezüglich unserer Lage die Wahrheit vorzuenthalten, welche berufen sind, deren Gefahren zu theilen. So unwissend jene Spanier allen Anzeichen nach auch sein mögen, so müssen sie doch nothwendiger Weise mindestens einige der eingetretenen physikalischen Veränderungen wahrgenommen haben, wie z.B. die Verkürzung der Tage, den Wechsel in der Bewegung der Sonne und die Verminderung der Schwere. Sagen wir ihnen nun also auch, daß sie jetzt fern von der Erde durch den Weltraum geführt werden, und daß von jener nichts als diese Insel übrig geblieben ist.
– Nun gut, so wäre das also abgethan, ließ sich Ben-Zouf vernehmen. Wir sagen Alles! Fort mit der Geheimnißkrämerei! Aber weiden werd’ ich mich an dem Anblicke des Juden, wenn er erfährt, daß er sich einige hundert Millionen Lieues weit von der alten Erdkugel befindet, wo ein Wucherer, wie er, so manchen Schuldner sitzen haben wird. Nun lauf’ ihnen nach, mein Kerlchen, wenn Du es kannst!«
Isaak Hakhabut befand sich fünfzig Schritt weiter rückwärts, konnte von diesem Gespräche also kein Wort verstehen. Er lief Jenen halb vorgebeugt, greinend und den Gott Israel’s anrufend nach; manchmal aber schossen seine Augen grelle Blitze und seine Lippen preßten sich aufeinander, so daß von dem Munde nichts als eine schmale Linie übrig blieb.
Ihm waren jene neuen physikalischen Erscheinungen nicht entgangen und mehr als einmal hatte er mit Ben-Zouf, dem er immer zu schmeicheln suchte, über dieselben gesprochen. Letzterer verhehlte allerdings seinen Widerwillen gegen diesen erbärmlichen Nachkommen Abraham’s nicht im Geringsten. Auf alle drängenden Fragen Hakhabut’s antwortete er immer nur mit einem ausweichenden Scherze. So erklärte er ihm wiederholt, daß ein Jude seines Schlages bei dem jetzigen Zustande der Dinge ja gar nichts zu verlieren habe, denn statt, wie jeder Sohn Israel’s, hundert Jahre zu leben, werde er es jetzt auf zweihundert bringen, wobei ihm bei der allgemeinen Verminderung der Schwere auch die Last seiner späteren Jahre gar nicht so unerträglich erscheinen könne. Wenn der Mond jetzt gestohlen worden sei, sagte er ihm ein andermal, so müsse das einem Geizhals seines Schlages sehr gleichgiltig sein, da er jedenfalls doch nichts darauf geborgt habe. Ferner versicherte er ihm, daß, wenn die Sonne jetzt an dem Punkte untergehe, wo sie sonst aufzugehen pflegte, so werde man eben ihr Ruhebett nach einer anderen Stelle geschafft haben – und tausend solche Albernheiten weiter. Wenn Isaak Hakhabut zu sehr in ihn drang, sagte er:
»Warte nur auf den General-Gouverneur, Altert Er weiß Alles und wird Dir Alles erklären!
– Und wird er auch in Schutz nehmen meine Waaren?
– Natürlich, Naphtali! Er wird sie weit eher confisciren, als Dir rauben lassen!«
Mit solchen wenig tröstlichen Antworten abgespeist, wartete der Jude, dem Ben-Zouf nach und nach alle ihm geläufigen israelitischen Namen beilegte, Tag für Tag auf die Ankunft des General-Gouverneurs.
Inzwischen waren Hector Servadac und seine Begleiter an das Ufer gekommen. Dort etwa in der Mitte der von der Inselküste gebildeten Hypothenuse lag die Hansa vor Anker. Hier schützten sie, bei der sonst ganz freien Lage, einige Felsen nur sehr unzulänglich, und jeder stärkere Westwind drohte die leichte Tartane an die Küste zu treiben und daselbst in kurzer Zeit zu zertrümmern. Offenbar durfte sie auf diesem Ankerplatze nicht verbleiben, sondern mußte je eher je lieber nach der Mündung des Cheliff neben die russische Goëlette verlegt werden.
Beim Wiedererblicken seiner Tartane hob der Jude mit seinen Klageliedern, und zwar so laut und von solchen Grimassen begleitet, von Neuem an, daß ihm Kapitän Servadac Schweigen gebieten mußte. Dann schiffte er sich, während Graf Timascheff und Ben-Zouf am Ufer zurückblieben, mit Lieutenant Prokop auf einem Boote der Hansa ein und besuchte diesen schwimmenden Kramladen.
Die Tartane erwies sich vollkommen wohl erhalten und demnach konnte auch ihre Ladung nach keiner Seite Schaden gelitten haben, wovon man sich übrigens leicht zu überzeugen vermochte. Hier im Raume der
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