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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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goldene Uhr
     gestohlen. Denn die Uhr hatte natürlich Éva gestohlen und nicht er, und nur aus Taktgefühl habe er das Mihály nicht gesagt.
     Aber Éva habe keinen geliebt. Nur ihn. János Szepetneki.
    »Und was ist aus Éva geworden? Haben Sie sie seither gesehen?«
    »Ich? Aber ja.Wir sind immer noch gute Freunde. Éva hat eine steile Karriere gemacht, nicht ganz ohne meine Hilfe. Sie ist
     eine sehr große Frau geworden.«
    »Wie verstehen Sie das?«
    »Na eben, so. Sie hat immer die allervornehmsten Gönner. Zeitungsbarone, Petroleumkönige, echte Thronerben, ganz zu schweigen
     von den Schriftstellern und Malern, die vor allem zu Reklamezwecken benötigt werden.«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Jetzt ist sie in Italien. Wenn immer möglich, reist sie nach Italien, das ist ihre Passion. Und sie sammelt Antiquitäten,
     so wie ihr Vater.«
    »Warum haben Sie Mihály nicht gesagt, daß Éva in Italien ist? Und überhaupt, wie sind Sie damals nach Ravenna gekommen?«
    »Ich? Ich war vorübergehend in Budapest, und da habe ich gehört, daß Mihály geheiratet hat und in Venedig ist, auf Hochzeitsreise.
     Ich habe dem Wunsch nicht widerstehen können, den alten Knaben und seine Frau zu sehen, und so habe ich auf dem Rückweg nach
     Paris einen Umweg über Venedig gemacht. In Venedig habe ich dann gehört, daß Sie nach Ravenna gefahren waren.«
    »Und warum haben Sie nichts von Éva gesagt?«
    »Ausgerechnet. Damit er sie sucht?«
    »Er hätte sie nicht gesucht, er war ja mit seiner Frau auf Hochzeitsreise.«
    »Verzeihen Sie, aber ich glaube nicht, daß ihn das gehindert hätte.«
    »Ach was. Zwanzig Jahre lang hatte er überhaupt nicht das Bedürfnis, sie zu suchen.«
    |140| »Weil er nicht wußte, wo sie war, und überhaupt ist Mihály passiv. Aber wenn er einmal erfährt   …«
    »Und warum würde Sie das stören, wenn Mihály Éva Ulpius fände? Sind Sie eifersüchtig? Immer noch verliebt in Éva?«
    »Ich? Keine Spur.War es gar nie. Sie war verliebt in mich. Aber ich wollte in Mihálys Ehe nichts kaputtmachen.«
    »Sie sind ein wahrer Engel, was?«
    »Nein. Aber Sie waren mir gleich so sympathisch.«
    »Das ist ja reizend. In Ravenna haben Sie genau das Gegenteil gesagt. War auch ziemlich verletzend.«
    »Ach ja, das habe ich bloß gesagt, weil ich sehen wollte, ob mir Mihály eine runterhaut. Doch der haut keinem eine runter.
     Das ist genau sein Problem. Eine Ohrfeige kann so vieles lösen   … aber um zum Thema zurückzukommen: Sie haben gleich vom ersten Augenblick an einen starken Eindruck auf mich gemacht.«
    »Wundervoll. Jetzt muß ich mich geehrt fühlen, nicht wahr? Sagen Sie, könnten Sie mir nicht etwas geistreicher den Hof machen?«
    »Geistreich den Hof machen kann ich nicht. Das ist etwas für die Impotenten. Wenn mir eine Frau gefällt, dann will ich es
     ihr so rasch wie möglich beibringen. Sie mag dann reagieren oder nicht. Meistens reagiert sie.«
    »Ich bin nicht ›meistens‹.«
    Aber sie war sich im klaren darüber, daß sie János Szepetneki in der Tat gefiel, daß er ihren Körper begehrte, auf Burschenart,
     gierig, ohne jegliche Männerweisheit, sondern einfach und frech. Und das tat ihr so gut, daß sich ihr Blutkreislauf beschleunigte,
     wie beim Trinken. Sie war eine so ungezügelte Instinkthaftigkeit nicht gewohnt. Im allgemeinen näherten sich ihr die Männer
     liebe- und respektvoll. Ihre Verliebtheit galt stets der gebildeten, wohlerzogenen Dame der besseren Gesellschaft. Außerdem
     hatte Szepetneki damals ihre weibliche Eitelkeit verletzt. Vielleicht hatte in dem Augenblick der Zusammenbruch ihrer Ehe
     begonnen, und Erzsi trug Szepetnekis Worte seither als schmerzhafte Last mit sich. Und jetzt war da die Medizin, die Genugtuung.
     Sie kokettierte mit ihm, wie sie es selbst für nicht möglich gehalten hätte – |141| um ihn am Ende um so kälter zurückweisen zu können. Die Rache für Ravenna.
    Aber sie erwiderte Szepetnekis Annäherungsversuche vor allem deshalb, weil sie mit weiblichem Instinkt spürte, daß sie Mihálys
     Frau galten. Sie wußte ja, in was für einem seltsamen Verhältnis die beiden standen und daß Szepetneki fortwährend und mit
     allen Mitteln beweisen mußte, daß er der Oberbock war. Jetzt mußte also Mihálys Frau verführt werden.Witwenhaft ausgehungert
     ließ sich Erzsi von Szepetnekis Begehren trösten, wobei sie das Gefühl hatte, sie würde erst jetzt wirklich zu Mihálys Frau,
     jetzt betrete sie den magischen Kreis, den einstigen

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