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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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bestimmt vorstellen, daß unsere Firma angesichts der heutigen Umstände der Belastung nicht gewachsen ist, einem ihrer
     Mitarbeiter einen kostspieligen Auslandsaufenthalt – einen völlig unbegründeten und unverständlichen Auslandsaufenthalt –
     weiterhin zu finanzieren.
    Um so weniger, als Du Dir denken kannst, daß in der Folge der veränderten Umstände auch Deine Frau mit Ansprüchen, und zwar
     mit durchaus berechtigten, aufgetreten ist, und diesen Ansprüchen zu genügen ist selbstverständlich unsere erstrangige Pflicht.
     Deine Frau hält sich zur Zeit in Paris auf, und vorläufig gibt sie sich damit zufrieden, daß wir die Kosten ihres dortigen
     Aufenthalts übernehmen; zur endgültigen Abrechnung wird es erst kommen, wenn sie wieder zu Hause ist. Ich brauche wohl nicht
     eigens zu erklären, daß diese endgültige Abrechnung die
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Fabrik in eine äußerst unangenehme Lage versetzen könnte. Du weißt genau, daß wir das Bargeld, das Deine Frau in die Firma
     eingebracht hat, vollumfänglich in Maschinen, in den Ausbau derWerbung und weitere die Interessen der Firma fördernde Maßnahmen
     investiert haben, so daß die Liquidierung dieses Betrags nicht einfach Probleme bereiten, sondern die Firma sozusagen in ihren
     Grundfesten erschüttern würde. Ich glaube, jemand anderer hätte auch das in Betracht gezogen, bevor er seine Frau auf der
     Hochzeitsreise verlassen hätte. Nicht, daß Dein Vorgehen nicht an sich schon völlig unqualifizierbar und ungentlemanlike wäre,
     unabhängig von jeglichen finanziellen Überlegungen und ganz besonders gegenüber einer so tadellosen, korrekten Dame wie Deiner
     Frau. So stehen also die Dinge. Dein Vater bringt es nicht über sich, Dir zu schreiben. Du kannst Dir ja vorstellen, wie ihn
     die Ereignisse aufgeregt und angegriffen haben, und wie sehr ihn die Aussicht beunruhigt, früher oder später deine Frau auszahlen
     zu müssen. Das alles hat ihn so sehr mitgenommen, daß wir ihn zur Kur schicken möchten, wir denken da an Badgastein, aber
     er will nichts davon hören, in Anbetracht der mit einem Urlaub verbundenen Extra-Ausgaben.
    Also, lieber Mischi, sei so gut, nach Erhalt dieses Briefes die Koffer zu packen und heimzukommen, je eher, desto besser.
    Wir grüßen Dich alle ganz herzlich,Tivadar
     
    Tivadar hatte diesen Brief bestimmt mit Wonne geschrieben, glücklich, daß er, der leichtsinnige Bonvivant der Familie, dem
     soliden, ernsten Mihály für einmal die Leviten lesen durfte. Schon der überhebliche Ton seines am wenigsten sympathischen
     Bruders brachte Mihály aus der Fassung. Schon dadurch kam ihm die Heimkehr als Knute, als schrecklicher, widerlicher Zwang
     vor.
    Obwohl es anscheinend tatsächlich keine andere Lösung gab. Wenn er Millicent seine Schulden zahlte, blieb ihm kein Geld für
     einen Aufenthalt in Rom. Und es beunruhigte ihn sehr, was Tivadar über ihren Vater schrieb. Er wußte, daß Tivadar nicht übertrieben
     hatte, daß der Vater zu Depressionen neigte und die ganze Angelegenheit, in der sich finanzielle, gesellschaftliche und emotionale
     Unannehmlichkeiten vermischten, durchaus geeignet war, ihn seelisch aus dem Geleise zu werfen. Es genügte schon, daß |150| sich sein Lieblingssohn so unmöglich benommen hatte. Ja, er mußte nach Hause fahren, um seinem Vater zu erklären, daß ihm
     nichts anderes übriggeblieben war, auch in Erzsis Interesse. Er mußte zeigen, daß er nicht davonlief, daß er für sein Verhalten
     die Verantwortung übernahm, wie es einem Gentleman geziemt.
    Und zu Hause mußte er an die Arbeit gehen. Arbeit ist heute alles: Belohnung für den Jungen am Anfang seines Lebenswegs, Belohnung
     für den Abschluß seiner Studien, und auch Bestrafung und Buße für jene, denen etwas nicht gelungen ist. Er mußte nach Hause
     und sich in die Arbeit stürzen, dann würde ihm sein Vater früher oder später verzeihen.
    Doch als ihm die Einzelheiten der »Arbeit« einfielen, sein Schreibtisch, die Leute, mit denen er zu verhandeln hatte, und
     vor allem die Dinge, mit denen er nach der Arbeit die Zeit würde verbringen müssen: Bridge und der Ruderclub und die Damen
     der guten Gesellschaft, da wurde ihm fast schlecht vor Überdruß.
    Wie sagt es doch der Schatten des Achilleus? fragte er sich. »Lieber wäre ich auf dem Feld meines Vaters ein Tagelöhner als
     unter den Toten ein König   …« Mir geht es gerade umgekehrt: lieber wäre ich hier, unter den Toten, ein Tagelöhner als zu Hause bei meinem

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