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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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Ulpius-Kreis, der für Mihály die einzige Realität darstellte.
    »Reden wir von anderem«, sagte sie, doch unter dem Tisch waren ihre Oberschenkel an die von Szepetneki geschmiegt. »Womit
     beschäftigen Sie sich eigentlich hier in Paris?«
    »Mit dem Arrangieren von großen Geschäften. Ausschließlich von ganz großen«, sagte Szepetneki und streichelte Erzsis Oberschenkel.
     »Ich habe hervorragende Beziehungen zum Dritten Reich. Man könnte sagen, daß ich hier in gewisser Hinsicht der Handelsvertreter
     des Dritten Reichs bin. Und nebenbei möchte ich dieses Geschäft zwischen Lutphali und dem Martini-Alvaert-Filmkonzern zustande
     bringen, denn ich brauche Bargeld. Aber was reden wir so viel? Kommen Sie lieber tanzen.«
    Sie blieben bis um drei, dann lud der Perser die beiden nach Film aussehenden Frauen in sein Auto, die anderen hingegen forderte
     er auf, ihn am Sonntag in seiner Villa in Auteuil zu besuchen, worauf er sich verabschiedete. Auch die anderen machten sich
     auf den Heimweg. Sári wurde vom französischen Herrn nach Hause begleitet, Erzsi von Szepetneki.
    »Ich komme mit hinauf«, erklärte Szepetneki vor dem Tor.
    »Sind Sie wahnsinnig? Und überhaupt wohne ich mit Sári zusammen.«
    »Verflucht. Dann kommen Sie zu mir.«
    »Szepetneki, man merkt, daß Sie schon lange nicht mehr in Budapest leben. Ich kann mir sonst nicht erklären, wie Sie eine
     Frau wie mich so verkennen können.Damit haben Sie alles verdorben.«
    |142| Und grußlos und triumphierend ließ sie ihn stehen.
    »Was flirtest du mit diesem Szepetneki?« fragte Sári, als sie im Bett lagen. »Paß bloß auf.«
    »Ist schon vorbei. Stell dir vor, er wollte, daß ich mit ihm in seine Wohnung gehe.«
    »Na und? Du tust, als wärst du immer noch in Budapest. Meine Beste, vergiß nicht, daß Budapest die moralischste Stadt Europas
     ist. Hier sieht man diese Dinge anders.«
    »Aber Sári, gleich am ersten Abend   … Eine Frau muß doch noch so viel Würde haben, daß   …«
    »Klar. Aber dann soll sie sich mit den Männern nicht einlassen   … hier ist das die einzige Möglichkeit, die Würde zu wahren. So wie ich das mache. Aber sag mir doch, wozu man die Würde wahren
     soll? Wozu, sag? Glaubst du, ich wäre nicht freudig mit dem Perser gegangen, wenn er mich gerufen hätte? Aber hat er das?
     Nicht die Bohne.Was für ein schöner Mann! Im übrigen hast du gut daran getan, nicht mit dem Szepetneki zu gehen. Er sieht
     ja ganz gut aus und ist sehr männlich, ich meine   … naja, so wie ich es sage, aber weißt du, das ist ein Schlitzohr. Am Ende nimmt er dir dein Geld ab. Man muß sehr aufpassen,
     mein Kleines. Mir sind einmal bei einer solchen Gelegenheit fünfhundert Franc gestohlen worden. Na, servus.«
    Ein Schlitzohr, dachte Erzsi, während sie schlaflos dalag. Genau das war es doch. Sie selbst war zeit ihres Lebens das Mustermädchen
     gewesen, der Liebling ihrer Kinderfräuleins, der Stolz ihres Vaters, die beste Schülerin der Klasse, die sogar zu Wettbewerben
     geschickt wurde. Ihr ganzes Leben war behütet und geordnet verlaufen, unter strenger Beachtung der geheiligten Statuten der
     Gutbürgerlichkeit. Und als die Zeit dafür gekommen war, hatte sie einen reichen Mann geheiratet, sich elegant gekleidet und
     ein herrschaftliches Haus geführt.Die ideale Repräsentier- und Hausfrau. Sie trug die gleichen Hüte wie die anderen Frauen
     ihrer Gesellschaftsklasse, Urlaub machte sie, wo man eben Urlaub macht, zu Theaterstücken sagte sie das, was gesagt werden
     muß, und sie hatte überhaupt zu allem die passende Meinung. Sie war, wie Mihály gesagt hätte, bis ins Mark konform. Doch dann
     begann sie |143| sich zu langweilen, so sehr, daß sie nervöse Herzbeschwerden bekam. Und da wählte sie Mihály, weil sie fühlte, daß er nicht
     ganz konform war, daß es in ihm etwas gab, das sich den Anforderungen des bürgerlichen Lebens entzog. Sie hatte gedacht, mit
     seiner Hilfe würde auch sie über die Mauern klettern können, hinaus in das mit wildem Gestrüpp bewachsene Land, das sich in
     unbekannte Fernen erstreckte. Mihály hingegen wollte gerade durch sie konform werden, sie war das Werkzeug, durch das er zu
     einem anständigen Bürger gemacht werden sollte, und in das weite Land blickte er nur heimlich hinaus, bis ihm eines Tages
     der Konformismus verleidet war und er sich wieder ins Gestrüpp schlug, allein. Ob János Szepetneki, der gar nicht erst konform
     werden wollte, der sich gewissermaßen

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