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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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deutschen Ex-Kaisers. Von irgendwoher zauberte
     er auch einen silbernen Kelch mit dem Monogramm des Ex-Kaisers hervor.
    »Siehst du, das habe ich von ihm bekommen, nachdem die ganze Gesellschaft zu meiner Ehre Tokajer getrunken hatte.«
    Dann zeigte er rasch ein große Menge Photos, auf denen er teils mit sehr wissenschaftlich wirkenden Herren, teils mit weniger
     wissenschaftlich wirkenden Damen abgebildet war.
    »Meine Majestät im Pyjama«, sagte er, »meine Majestät ganz nackt   … die Dame verdeckt sich das Gesicht, es ist ihr peinlich   …«
    Dann kam ein Bild von Waldheim mit einer sehr häßlichen Frau und einem kleinen Jungen.
    »Wer ist diese häßliche Frau und der kleine Junge?« fragte Mihály.
    »Das ist meine Famile«, sagte Waldheim und lachte schallend. »Meine Frau und mein Sohn.«
    »So etwas hast du auch?« fragte Mihály verblüfft. »Wo bewahrst du die auf?«
    |162| Denn Waldheims Zimmer, sein Benehmen, sein ganzes Wesen vermittelten so sehr den Eindruck des eingefleischten, unverbesserlichen
     Studenten, des nie erwachsenen stud.phil., daß man sich wirklich keine Frau und kein Kind dazudenken konnte.
    »Oh, ich bin schon seit Jahrhunderten verheiratet. Dieses Bild ist sehr alt. Mein Sohn ist seither viel größer und meine Frau
     viel häßlicher. Ich habe sie mir noch in Heidelberg angeschafft, im dritten Studienjahr. Sie heißt Kätzchen, ist das nicht
     toll? Und sie ist sechsundvierzig. Aber wir kommen einander nicht oft in die Quere, sie leben in Deutschland bei meinen lieben
     Schwiegereltern und verachten mich. Neuestens nicht nur wegen meiner Sitten, sondern weil ich kein Deutscher bin.«
    »Aber das bist du doch, der Herkunft nach jedenfalls.«
    »Ja, schon, aber so ein Auslanddeutscher, so ein Preßburger, so eine Donaubecken-Vorhut zählt nicht. Jedenfalls sagt das mein
     Junge, der sich meinetwegen vor seinen Mitschülern gräßlich schämt.Was kann ich da machen? Nichts. Aber bitte, greif zu. Ach
     so, ich habe das Abendessen noch gar nicht aufgetischt. Wart mal, gleich   … Der Tee ist schon gekocht. Aber du brauchst keinen Tee zu trinken. Du kannst auch Rotwein haben.«
    Er nahm aus den unteren Schichten des Zimmers ein großes Paket hervor, plazierte zahlreiche Gegenstände und Manuskripte, die
     auf dem Schreibtisch gelegen hatten, unter dem Tisch, legte das Paket darauf und öffnete es. Es kam eine Menge Rohschinken
     und Salami und Brot zum Vorschein.
    »Ja, weißt du, ich esse nur kaltes Fleisch, sonst nichts«, sagte Waldheim. »Aber damit es für dich nicht so langweilig ist,
     habe ich für ein bißchen Abwechslung gesorgt, wart mal, gleich   …«
    Nach längerem Suchen förderte er eine Banane ans Licht, und das Lächeln, mit dem er sie ihm überreichte, besagte: Hast du
     je schon einen fürsorglicheren Hausherrn gesehen?
    Mihály war von solchem studentischen Schlendrian und solcher Anspruchslosigkeit ganz bezaubert.
    Ein Mensch, dem das Unmögliche gelungen ist, dachte er neidisch, während sich Waldheim mit Rohschinken vollstopfte und Erklärungen
     gab. Ein Mensch, dem es gelungen ist, sich in der |163| ihm entsprechenden Lebensphase zu fixieren. Denn ganz sicher hat jeder Mensch eine nur ihm entsprechende Lebensphase. Es gibt
     solche, die ihr Leben lang Kinder bleiben, und solche, die ihr ganzes Leben linkisch, unbeholfen, fehl am Platz sind, bis
     sie sich als schöne, weise Greisinnen und Greise wiederfinden, endlich zu Hause in ihrem Moment. Bei Waldheim war es das Wunderbare,
     daß er in der Seele ein Student bleiben konnte, ohne auf die Welt, den Erfolg, das Geistesleben verzichten zu müssen. Er hatte
     eine Bahn eingeschlagen, auf der seelische Rückständigkeit nicht auffällt, ja, sogar förderlich ist, und von der Wirklichkeit
     nahm er nur so viel zur Kenntnis, wie es mit seiner Fixierung vereinbar war. Das ließ sich sehen! Wenn es Mihály auch so hätte
     einrichten können   …
    Kurz nach dem Abendessen sah Waldheim auf seine Uhr und sagte aufgeregt:
    »Gütiger Himmel, ich habe eine ganz dringende Frauenangelegenheit, hier in der Nähe. Wenn du nichts Besseres zu tun hast,
     wäre es sehr nett, wenn du mich begleiten und auf mich warten könntest. Es dauert nicht lange, ich schwör’s. Und dann gehen
     wir in eine kleine Kneipe und setzen unseren aufregenden Dialog fort.« Bestimmt hat er gar nicht gemerkt, daß ich noch kein
     Wort gesagt habe, dachte Mihály.
    »Ich begleite dich sehr gern«, sagte er.
    »Ich liebe die Frauen ganz

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