Reise im Mondlicht
für eine Angelegenheit war, doch während des
Redens ging es ihm auf, und er reihte ein unumstößliches Argument an das andere. Und es gelang ihm denn auch, die Herren zu
überzeugen. Darauf überkam ihn wieder die große Müdigkeit.
Natürlich muß man nach Paris fahren. Aber ich kann jetzt nicht. Ich kann die Bank nicht alleinlassen, und überhaupt, was soll
ich dort. Erzsi hat mich nicht gerufen. Daß ich ihr nachlaufe, daß ich das Risiko einer sehr wahrscheinlichen Zurückweisung
auf mich nehme, das geht nun doch wieder nicht … Schließlich und endlich hat man ja noch seine Selbstachtung.
Er hörte abrupt zu reden auf. Die Gesellschaft beschloß, einen jungen Direktor nach Paris zu entsenden, den Schwiegersohn
eines der großen Financiers, der ausgezeichnet Französisch konnte. Das wird eine gute Lektion für ihn sein, dachten die älteren
Herren väterlich.
Nach der Sitzung kam der schwerste Teil des Tages, der Abend. Pataki hatte einmal gelesen, das sei der wesentliche Unterschied
zwischen dem Verheirateten und dem Junggesellen: daß der Verheiratete immer wußte, mit wem er am Abend essen würde. Tatsächlich |181| war das Patakis größtes Problem, seit ihn Erzsi verlassen hatte. Mit wem sollte er zu Abend essen? Männer hatte er nie gemocht,
die Einrichtung der Freundschaft kannte er nicht. Frauen? Das war das Merkwürdigste. Solange er Erszis Mann gewesen war, hatte
er eine Unmenge Frauen gebraucht, immer andere Frauen, jede war ihm recht, die eine, weil sie so dünn war, die andere, weil
sie so dick war, die dritte, weil sie das richtige Mittelmaß darstellte. Er verbrachte seine ganze freie und oft auch nicht
freie Zeit mit Frauen. Da gab es die auf unerforschliche Art mit dem Theater zusammenhängende Maîtresse de titre, die eine
Menge Geld kostete, aber gleichzeitig Reklame für die Bank war, dann die Liebschaften mit Damen der Gesellschaft, da und dort
mit der Ehefrau eines Kollegen, aber vor allem gab es die Sekretärinnen und zur Abwechslung auch hin und wieder ein Dienstmädchen.
Eine fürchterliche Sammlung. Erzsi war nur zu Recht bekümmert gewesen, und in optimistischen Momenten wollte Pataki glauben,
daß sie ihn deswegen verlassen hatte. In pessimistischen Momenten wußte er wohl, daß ihn Erzsi aus anderen Gründen verlassen
hatte, nämlich wegen seiner nicht behebbaren Mängel, und dieses Wissen war entsetzlich demütigend. Nachdem Erzsi gegangen
war, entließ er die Maîtresse de titre mit einer fürstlichen Abfindung, besser gesagt, er reichte sie an einen Kollegen weiter,
der sich schon lange um diese Auszeichnung bemüht hatte, er »reorganisierte« die Sekretärinnen, setzte eine der häßlichsten
Angestellten der Bank neben sich und führte ein enthaltsames Leben. Wir hätten ein Kind haben sollen, dachte er und hatte
plötzlich das Gefühl, daß er sein Kind, Erzsis Kind, sehr geliebt hätte. Mit raschem Entschluß rief er eine Cousine an, die
zwei entzükkende Kinder hatte, und ging zu ihr zum Abendessen. Unterwegs kaufte er eine Unmenge Süßigkeiten. Die zwei entzückenden
Kinder haben wahrscheinlich nie erfahren, wem sie es zu verdanken hatten, daß sie sich gründlich den Magen verderben durften.
Nach dem Essen setzte er sich noch in ein Kaffeehaus, las die Zeitungen, überlegte, ob er noch ein bißchen zum Kartenspielen
in den Klub gehen sollte, konnte sich aber nicht entschließen. Er ging nach Hause.
|182| Die Wohnung ohne Erzsi war ungeheuer bedrückend. Man sollte endlich etwas mit Erzsis Möbeln machen. Es geht doch nicht, daß
ihr Zimmer noch aussieht, als könnte sie jeden Augenblick nach Hause kommen, obwohl ja … Man müßte die Möbel auf den Dachboden stellen lassen oder in ein Lagerhaus. Ich will es als eine Art Klubzimmer einrichten,
mit schweren Sesseln.
Wieder winkte er resigniert ab, verzog den Mund und stellte seine Müdigkeit fest. Die Wohnung war einfach nicht auszuhalten.
Ausziehen sollte man. Im Hotel wohnen wie die Künstler. Oder vielleicht in einem Sanatorium. Pataki liebte die Sanatorien,
die weiße Ruhe, die medizinische Umsorgtheit. Ja, ich ziehe auf den Svábhegy. Meine Nerven haben das mehr als nötig. Noch
eine Ehefrau, die mich verläßt, und ich drehe durch.
Er legte sich ins Bett, stand dann wieder auf, weil er spürte, daß er ohnehin nicht würde schlafen können. Er zog sich an,
aber es fiel ihm nicht ein, wohin er gehen könnte, und so schluckte er ein Sevenal
Weitere Kostenlose Bücher