Reise im Mondlicht
was sie will, einverstanden.«
»Schau, Mihály, das ist doch gerade das Geschäft, jetzt sei doch ein bißchen vernünftig. Herr Pataki wünscht nicht gratis,
daß du die Scheidung einreichst. Er ist zu bedeutenden finanziellen Opfern bereit. Das ist ein schwerreicher Mann, der ohne
Erzsi nicht leben kann. Er hat mich auch ermächtigt, dir gleich hier einen kleinen Vorschuß auszuzahlen, ein ganz nettes Sümmchen.«
»Das ist doch Quatsch. Aus welchen Gründen könnte ich gegen Erzsi die Scheidung einreichen? Ich habe sie ja verlassen; wenn
das Gericht verfügt, daß wir die eheliche Gemeinschaft wiederherstellen, kommt sie womöglich noch zurück, und was mache ich
dann?«
»Mach dir da keine Sorgen, Mihály. Du reichst die Scheidung ein, den Rest erledigen wir.«
»Und mit welcher Begründung?«
»Ehebruch.«
»Du bist ja verrückt!«
»Ganz und gar nicht. Überlaß das ruhig mir. Ich werde ihr einen Ehebruch anhängen, daß man sich alle zehn Finger abschlecken
kann. Ich habe da große Routine.«
|199| Sie standen schon vor Mihálys Haus. Mihály konnte es kaum erwarten, oben zu sein.
»Lebe wohl, János Szepetneki. Die Hand gebe ich dir diesmal nicht. Was du gesagt hast, ist eine Riesenschweinerei. Ich hoffe,
daß ich dich nicht so bald wiedersehe.«
Er rannte in sein Zimmer hinauf.
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Ich weiß nicht, worum es geht, aber ich bin überzeugt, daß du dich aus Blödheit zierst«, sagte Waldheim mit großem Schwung.
»Du bist immer noch der brave Sohn deines in Ehren ergrauten Vaters, immer noch ein Spießbürger. Wenn einem jemand Geld geben
will, muß man es annehmen, darin sind sich alle Autoritäten der Religionsgeschichte einig. Du aber hast noch immer nicht gelernt,
daß das Geld … daß es einfach nicht zählt. Es zählt dort nicht, wo die wesentlichen Dinge zählen. Geld braucht es immer, und wenn man sich
nicht darum kümmert, gibt es auch immer welches. Wieviel und woher und wie lange, das ist völlig belanglos. So wie alles belanglos
ist, was mit dem Geld zusammenhängt. Für Geld bekommt man nichts, das wichtig ist. Was man für Geld bekommt, ist vielleicht
lebensnotwendig, aber nicht wichtig.
Die Dinge, für die es sich wirklich zu leben lohnt, kosten nie etwas. Es kostet dich keinen Kreuzer, daß dein Geist das großartig
Vielgestaltige, die Wissenschaft, aufzunehmen vermag. Es kostet dich auch keinen Kreuzer, daß du in Italien bist, daß über
dir der italienische Himmel ist, daß du durch italienische Straßen gehen und im Schatten italienischer Bäume sitzen darfst
und daß abends die Sonne italienisch untergeht. Es kostet dich keinen Kreuzer, wenn du einer Frau gefällst und sie mit dir
ins Bett geht. Es kostet dich keinen Kreuzer, hin und wieder glücklich zu sein. Geld kostet nur das, was darum herum ist,
um das Glück herum, all die dummen, langweiligen Requisiten. Es kostet kein Geld, in Italien zu sein, aber es kostet etwas,
hierherzureisen und ein Dach über dem Kopf zu haben. Es kostet kein Geld, daß die Frau deine Geliebte ist, sondern nur, daß
sie zuweilen essen und trinken und sich anziehen muß, damit sie sich wieder ausziehen kann. Doch die |201| Spießbürger leben schon seit eh und je davon, daß sie sich und die anderen mit Dingen eindecken, die Geld kosten, und so haben
sie die Dinge vergessen, die umsonst sind. Sie halten nur das für wesentlich, was viel kostet. Der reinste Wahn. Nein, Mihály,
das Geld darf man nicht zur Kenntnis nehmen. Man muß es akzeptieren wie die Luft, die man atmet. Von der will man ja auch
nicht wissen, woher sie kommt, solange sie nicht stinkt.
Und jetzt scher dich zum Teufel. Ich muß heute meinen Vortrag für Oxford schreiben. Habe ich dir den Einladungsbrief schon
gezeigt? Wart mal, gleich … Großartig, nicht wahr, was er da über mich schreibt? Naja, wenn man es einfach so liest, ist es gar nicht so eindrücklich,
aber wenn du bedenkst, daß die Engländer das Understatement lieben, dann kannst du ermessen, was es bedeutet, wenn sie von
meiner Arbeit schreiben, sie sei
meritorious
, verdienstvoll …«
Mihály machte sich nachdenklich auf den Weg. Er ging in südlicher Richtung den Tiber entlang. Am Stadtrand steht ein seltsamer
Hügel, der Monte Testaccio, da stieg er hinauf. Der Hügel besteht ganz aus Scherben. Hier hatte zu römischer Zeit der Weinmarkt
gestanden, hierher wurden in geschlossenen Amphoren die Weine Spaniens gebracht. Die Amphoren wurden
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