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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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aufbrechen wollte, schickte er das Mädchen weg und sagte:
    »Nun, Mihály. Herr Pataki hat den Wunsch, daß du ihm in dieser Angelegenheit eigenhändig und in allen Einzelheiten schreibst,
     um lückenlos festzuhalten, daß du ihn ermächtigst, in deinem Namen gegen deine Frau die Scheidung einzureichen, und daß du
     zur Kenntnis nimmst, daß er dir in zwei Raten zwanzigtausend |204| Dollar zahlen wird. Es ist nämlich so, daß mir Pataki irgendwie nicht hundertprozentig traut, was mich auch nicht wundert.
     Er möchte mit dir in direkten Kontakt treten. Einstweilen überreiche ich dir fünftausend Lire als Vorschuß.«
    Er zählte das Geld auf den Tisch, und Mihály knüllte es verlegen in die Tasche. So also, dachte er, fällt der Würfel, so wird
     der Rubikon überschritten, so leicht, daß man es gar nicht merkt.
    »Schreib an Pataki bitte auch«, sagte Szepetneki, »daß du von mir das übersandte Geld erhalten hast, aber du brauchst keine
     Summe zu nennen, es soll ja auch wieder nicht ein bloßer Beleg oder Geschäftsbrief sein, das wäre unelegant, verstehst du.«
    Mihály verstand sehr wohl. Er überschlug im Kopf, wieviel von dem Geld Szepetneki in die eigene Tasche gesteckt hatte. Vielleicht
     fünfzig Prozent, keinesfalls mehr. Egal, er soll auch was verdienen.
    »Also dann lebe wohl, Mihály. Ich habe hiermit meine Sache erledigt und reise morgen ab. Doch den heutigen Abend will ich
     noch mit Vannina verbringen. Eine ganz phantastische Frau. Komm oft zu ihr, wenn ich nicht da bin.«

|205| 3
    Es wurde immer heißer. Mihály lag nackt auf dem Bett, konnte aber nicht schlafen. Seitdem er Patakis Geld angenommen und jenen
     Brief geschrieben hatte, fand er keine Ruhe.
    Er stand auf, wusch sich und ging auf einen Streifzug durch die Sommernacht. Bald war er bei der Acqua Paola und bewunderte
     den klassischen Brunnen, der sich zeitlos ruhig, hochmütig und würdig im Mondschein ergoß. Der kleine ungarische Bildhauer,
     den er im Collegium Hungaricum durch Waldheim kennengelernt hatte, kam ihm in den Sinn. Der Bildhauer war zu Fuß von Dresden
     nach Rom gewandert und hatte die Stadt über die Via Flaminia erreicht, weil er im Gymnasium gelernt hatte, daß die siegreichen
     nordischen Heere immer über diese Straße in die Stadt zogen. Und am ersten Abend war er auf den Gianicolo gestiegen, hatte
     abgewartet, bis alle draußen und die Parktore geschlossen waren, worauf er über eine Mauer stieg und unter einem Busch schlief,
     über der Stadt, Rom zu seinen Füßen. Und in der Morgenfrühe stand er auf, zog sich aus und badete in den klassischen Wassern
     der Acqua Paola.
    So zieht ein Eroberer in Rom ein. Aus dem kleinen Bildhauer würde nie etwas, außer wahrscheinlich ein ewiger Hungerleider
     oder etwas in dieser Art. Und doch war er ein Eroberer, bloß fehlte ihm das Heer, bloß »das Glück, und sonst nichts«. Trotzdem
     war sein Lebensweg ein Aufstieg, auch wenn er daran zugrunde ging. Mihálys Lebensweg führte hingegen nach unten,auch wenn
     er ihn überlebte, auch wenn er alles überlebte und sogar noch zu einem ruhigen, langweiligen Alter kam. Die Richtung unseres
     Wegs ist in uns festgeschrieben, die Schicksalssterne leuchten in uns drin. Er streifte lange auf dem Gianicolo und am Tiberufer
     und in Trastevere umher. Es war spät in der Nacht, aber es war doch eben |206| eine italienische Nacht,da ringsum Leute wach sind und ungestört hämmern oder singen – dieses Volk kennt die nordische Schläfrigkeit,
     den geheiligten Moment der Benommenheit nicht   –, und man stößt zuweilen völlig unvermittelt auf kleine Kinder, die nachts zwischen drei und vier auf der Straße Murmeln
     spielen. Oder plötzlich macht ein Barbier seinen Laden auf und rasiert morgens um halb vier ein paar fröhliche Bräutigame.
    Auf dem Tiber schwammen langsam und klassisch Schleppkähne in Richtung Ostia, es waren gar keine Schiffe, sondern Bilder aus
     seinem Lateinbuch vom Gymnasium, die das Wort
navis
illustrierten. Auf einem der Schiffe spielte ein Mann Gitarre, eine Frau wusch Strümpfe, ein Hündchen bellte; und hinter dem
     Schiff fuhr das andere, das Spukschiff, die Tiberinsel, die schon zu alter Zeit zu Schiffsform ausgebaut worden war und die
     nächtens bestimmt die Anker lichtete und aufs Meer zu fuhr, mit dem Krankenhaus und den Sterbenden auf dem Rücken.
    Der Mond war am anderen Ufer vertäut, über den riesigen, bedrückenden Ruinen des Teatro Marcello, und aus der nicht weit davon
    

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