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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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schweigend nebeneinander, nachdem sie die Fragen betreffend Reise und Gesundheit in knapper Form erledigt hatten.
    »Wohin gehen wir?« fragte Mihály.
    »Das ist mir gleich. Es ist so heiß. Laß uns in eine Konditorei gehen.«
    |209| Das Eis und die Aranciata brachten momentane Linderung. Dann kamen sie zur Sache.
    »Mihály«, sagte Erzsi mit zurückgehaltenem Groll, »ich habe immer gewußt, daß du lebensuntüchtig bist und von nichts eine
     Ahnung hast, aber ich dachte, sogar deine Stupidität habe ihre Grenzen.«
    »Schöner Anfang«, sagte Mihály. Doch insgeheim war er ganz froh, daß Erzsi ihn nur für einen Idioten und nicht für einen Schurken
     hielt.
    Wahrscheinlich hatte sie ja recht.
    »Wie konntest du so etwas schreiben?« fragte Erzsi und legte den Brief, den Mihály nach Szepetnekis Anweisung an Pataki geschrieben
     hatte, auf den Tisch.
    Mihály wurde schamrot und so müde, daß er kein einziges Wort herausbrachte.
    »Sag endlich was!« rief Erzsi, der Engel mit dem Flammenschwert.
    »Was soll ich sagen, Erzsi«, sagte er gedehnt. »Klug wie du bist, weißt du sowieso, warum ich das geschrieben habe. Ich brauche
     Geld, weil ich nicht nach Hause will und sonst noch aus tausend Gründen   … und das war die einzige Möglichkeit, zu Geld zu kommen.«
    »Du bist ja verrückt.«
    »Schon möglich. Aber bitte sag nicht, wie unmoralisch ich bin. Und was für ein Strizzi. Das weiß ich sowieso.Wenn du nur nach
     Rom gekommen bist, um mir das zu sagen, in dieser Hitze   …«
    »Strizzi, daß ich nicht lache«, sagte Erzsi äußerst verärgert. »Wenn du wenigstens ein Strizzi wärst. Aber du bist bloß einfältig.«
     Sie verstummte. Eigentlich dürfte ich nicht in einem solchen Ton mit ihm reden, dachte sie. Ich bin ja nicht mehr seine Frau   … Nach einer Weile ließ sich Mihály vernehmen:
    »Sag, Erzsi, wie ist der Brief zu dir gelangt?«
    »Was? Begreifst du es denn immer noch nicht? Die haben dich hereingelegt, der János Szepetneki und dieser schändliche Zoltán.
     Der wollte doch nur, daß du deine Charakterlosigkeit schriftlich festhältst. Dann hat er mir den Brief umgehend geschickt,
     aber |210| nicht ohne von ihm zuerst eine notariell beglaubigte Kopie machen zu lassen, die er behalten hat.«
    »Zoltán? Zoltán macht solche Sachen, läßt notariell beglaubigen, derart dunkle Machenschaften, wie sie mir nie einfallen würden,
     solche phänomenalen Gemeinheiten?… ich versteh’s nicht.«
    »Natürlich verstehst du’s nicht«, sagte Erzsi etwas milder. »Du bist eben kein Strizzi, sondern bloß ein Einfaltspinsel. Und
     darüber ist sich Zoltán leider im klaren.«
    »Aber er hat mir doch einen so gütigen Brief geschrieben.«
    »Ja, Zoltán ist gütig, aber klug. Du bist nicht gütig, aber dafür dumm.«
    »Und warum tut er das alles?«
    »Warum wohl? Weil er mich zurückhaben will. Er will mir zeigen, was du für einer bist. Er rechnet nicht damit, daß ich das
     auch weiß, und zwar schon länger als er, und daß ich auch weiß, wieviel Gemeinheit unter seiner Güte und zärtlichen Anhänglichkeit
     steckt. Denn wenn es nur darauf hinausliefe, daß ich zu ihm zurückkehre, dann wäre die Sache verkehrt gelaufen, und dafür
     lohnt es sich nicht, so klug zu sein. Aber es geht nicht nur darum.«
    »Sondern?«
    »Hör zu.« In Erzsis Gesicht wich die Gereiztheit dem Schrecken. »Zoltán will dich erledigen, von der Erdoberfläche tilgen.«
    »Ach was. So mächtig ist er auch wieder nicht.Wie stellst du dir das vor?«
    »Schau, Mihály, ich weiß es nicht genau, denn ich bin nicht so schlau wie Zoltán, ich ahne es bloß. Erstens wird er alles
     unternehmen, damit deine Position deiner Familie gegenüber unhaltbar wird. Was, zumindest vorübergehend, auch nicht schwer
     ist, denn du kannst dir ja vorstellen, wie dein Vater dreinschauen wird, wenn er diesen Brief liest, oder vielleicht schon
     dreingeschaut hat.«
    »Mein Vater? Du meinst doch nicht im Ernst, daß er ihn ihm zeigt.«
    »Aber sicher tut er das.«
    Jetzt erschrak Mihály ernstlich.Ein zitterndes,jungenhaftes Entsetzen kam über ihn, die archaische Angst vor dem Vater, vor
     dem |211| Verlust des väterlichen Wohlwollens. Er stellte sein Glas Aranciata auf den Tisch und senkte den Kopf in die Hände. Erzsi
     verstand seine Motive,das wußte er. Seinem Vater hingegen konnte er nicht mit Erklärungen kommen. In den Augen seines Vaters
     würde er ein für allemal die Ehre verlieren.
    »Und dann wird er Budapest in Arbeit

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