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Reise im Mondlicht

Titel: Reise im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antal Szerb
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ihre Rolle
     hervorragend; vielleicht waren es Schauspieler, der Perser war ja jetzt im Filmgeschäft.) Sie ging ratlos auf und ab.
    Und wenn sie sich täuschte? Wenn der Perser nicht im Traum daran dachte zu kommen?
    Jetzt fiel ihr ein, daß das genauso beleidigend wäre.
    Wenn er käme   … Vielleicht war die Sache gar nicht so beleidigend und demütigend. Der Perser wußte sehr wohl, daß er Erzsi gefiel, und sie
     selbst hatte ihm das Zeichen gegeben, daß er kommen durfte. Er käme nicht wie zu einer Sklavin seines Harems, sondern wie
     zu einer Frau, die ihn liebte und die auch er liebte, käme, nachdem er die Hindernisse sorglich aus dem Weg geräumt hatte.
     Sie war verkauft worden? Ja, schon. Aber eigentlich war die Tatsache, daß Männer riesige Summen für sie zahlten, überhaupt
     nicht demütigend,sondern im Gegenteil höchst schmeichelhaft… Sie begann sich auf einmal auszuziehen.
    Blieb vor dem Spiegel stehen und betrachtete eine Weile befriedigt ihre Schultern und Arme, als Teile dessen, wofür »die Männer
     riesige Summen zahlten«. Jetzt war der Gedanke schon richtig amüsant. Diese Gliedmaßen waren das also wert? Für die Männer
     offenbar schon   …
    |235| Zuvor,unter der Lampe,hatte sie sich stark nach der Umarmung des Persers gesehnt. Nicht mit der direktesten aller Begierden,
     denn da waren eher Neugier und der Reiz des Exotischen. Doch in dem Augenblick hatte sie noch nicht gedacht, daß die Umarmung
     Wirklichkeit werden könnte. Jetzt hingegen würde sie mit dem ganzen Körper das vulkanische Glühen spüren. Wie seltsam und
     beängstigend ist es doch, auf diese Art zu warten   …
    Eine zähneklappernde Erregung überkam sie. Das würde die große Nacht ihres Lebens werden. Das Ziel, die Erfüllung, zu der
     alle Wege führen. Jetzt würde sie endlich alle spießigen Konventionen hinter sich lassen, alles, was an ihr noch Budapest
     war, und sich irgendwo in Frankreich, in einem alten Schloß, einem Mann hingeben, der sie gekauft hatte, sich einem exotischen
     wilden Tier unterwerfen und ihr Dasein als Dame der guten Gesellschaft völlig aufgeben, zu einer östlichen Liebesdienerin
     werden, so wie in der Bibel oder in Tausendundeiner Nacht. Schon immer hatte dieses Wunschbild ihre Phantasie beflügelt, schon
     damals, als sie Zoltán mit Mihály betrog   … Und ihr Instinkt hatte richtig gewählt, denn ihr Weg hatte über Mihály nun hierhergeführt.
    Und jetzt war da der Mann, der vielleicht endgültige Mann. Der echte Tiger. Der Exot. Der Mann der Liebe. Noch ein paar Minuten,
     und sie würde es erfahren. Ein Schauder ließ sie frösteln. War es kalt? Nein, sie hatte Angst.
    Sie zog rasch ihre Bluse wieder an, stellte sich an die Tür, die auf den Gang führte, und preßte sich die Hände auf die Brust,
     mit der schlichten, ehrlichen Geste, die sie so oft im Kino gesehen hatte. In ihrer Phantasie erschien ein Ungeheuer ohne
     Gestalt und ohne Kopf, das Geheimnis. Das Geheimnis des Orients, der Männer, der Liebe. Mit weiß Gott was für erschreckenden,
     quälenden, zerfleischenden Absichten näherte sich ihr dieser fremde, tausendfach fremde Mann, durch dessen Umarmung sie vielleicht
     vernichtet würde wie einst die sterblichen Frauen in den Armen der Götter. Wer weiß, was für geheimnisvolle Schauerlichkeiten
     ihrer harrten   …
    Da ergriff ihre gute Erziehung wieder von ihr Besitz, sie war wieder die Dame der Gesellschaft, die Musterschülerin, die Sparsame |236| , all das, wovor sie je geflohen war. Nein, nein, sie wagte es nicht   … Die Angst machte sie stark und erfinderisch. In wenigen Augenblicken hatte sie sämtliche Möbel vor die nicht zu schließende
     Tür geschoben, sogar das schwere Bett packte sie und zerrte es weinend, die Tränen verschluckend, vor die Tür. Dann ließ sie
     sich erschöpft darauffallen.
    Gerade rechtzeitig. Im benachbarten Zimmer hörte man die weichen Schritte des Persers. Jetzt stand er vor der Tür. Er schien
     zu lauschen, dann senkte sich die Klinke.
    »Elisabeth«, sagte der Perser leise.
    Erzsi antwortete nicht. Der Perser versuchte wieder die Tür zu öffnen, wobei er sich diesmal mit der Schulter gegen sie zu
     stemmen schien. Die Möbel gaben ein wenig nach.
    »Kommen Sie nicht herein!« rief Erzsi.
    Der Perser hielt inne, einen Augenblick herrschte tiefes Schweigen.
    »Elisabeth, machen Sie die Tür auf«, sagte der Perser lauter.
    Erzsi antwortete nicht.
    Der Perser zischte etwas und stemmte sich mit aller Kraft

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