Reise in die arabische Haut
das deuten soll, ruhe ich noch eine Runde.
Gegen acht Uhr kitzelt mich Mehdi wach. Im Hof herrscht laute Betriebsamkeit. Frauen und Männer plappern wüst durcheinander.
Um zur Dusche zu gelangen, muss ich quer über den Hof marschieren, aber mit dem kurzen Nachthemd kann ich mich unmöglich zeigen.
Jeans an, Pulli an, Zahnbürste in die Hand und Duschzeug plus Handtuch unter dem Arm. Letztendlich ab durch die Prärie.
»Sabahelcher«, ruft Jadda und kommt mit ausgebreiteten Armen auf mich zugewankt.
»Bonjour Cherie«, sage ich, lasse mich von ihr umarmen und hauche ihr ein Küsschen auf die Wange.
»Asslema«, rufe ich den anderen zu, die mich jedoch ignorieren.
Ohne weiteres Geplänkel verziehe ich mich unverzüglich ins Bad.
Das Badezimmer ist ein knapp vier Quadratmeter kleiner Raum. Oben an der Decke hängt ein überdimensionaler Duschkopf, auf dem Boden klemmt ein Abflussgitter für den Wasserablauf.
Neben der Dusche steht die europäische Toilette mit angebrochener Klobrille und defekter Spülung. Die wichtigste Sache, der Reinigungsschlauch für den Po, ist intakt.
An der Wand ragt ein Nagel heraus, an dem ich meine Kleidung aufhänge.
Meine Duschutensilien stelle ich auf den Wasserkasten, der an der Unterseite ein kleines Leck hat. Das winzige Rinnsal, das auf den Boden tropft, sickert bedächtig in den Duschabfluss. Als ich die beiden Duschknöpfe drehe, denke ich an nichts Böses. Eiskaltes Wasser donnert in einem Schwung auf meine zarte Haut herab. Ein tunesischer Wolkenbruch. Dumm, dass ich genau unter dem Platzregen stehe. Verwirrt springe ich zur Seite, aber die kühle Fontäne spritzt überall hin. Ich versuche, die Dusche auf halbwegs warmes Wasser einzustellen. Ein zweckloses Unterfangen. Egal wie ich die Knöpfe drehe, es bleibt eisig kalt.
Für heute reicht mir die Körperpflege. Wässrig bin ich genug, sodass ich das Wasser abdrehe.
In diesem Raum befindet sich kein trockenes Teil mehr.
Bibbernd versuche ich die Wassertropfen von meinem Körper abzustreifen. Egal, dass ich nicht trockne, meine Kleidung ist ohnehin humid.
Ich steige in die nasse Jeans, knote mir meinen Pullover um die Brust und lausche an der Tür, ob ich Männerstimmen höre. Vorsichtig blicke ich um die Ecke. Der Hof liegt verlassen dar. Außer einem entfernten Mäh-Mäh und einer schwarz-weißen Katze, die in der voll gestopften Mülltüte wühlt, regt sich kein Lüftchen auf dem Hof.
Mülltrennung ist ein unbekanntes Wort im Ben Amor Haus. Es ist allerdings ein Fortschritt, dass meine Schwiegermutter blaue Tüten für den Müll bereitlegt. In diese Säcke wird jeglicher Abfall hineingepfeffert, der am Wochenende gegen ein geringes Entgelt abgeholt wird.
Ich raffe meinen Krimskrams zusammen und flüchte über die orientalischen Fliesen in mein Zimmer.
Dort wechsle ich meine nassen Klamotten gegen eine trockene Garnitur aus. Zum Unmut Waldas muss ich heute mit einem kurzärmligen T-Shirt vorlieb nehmen, denn der Pulli mit den langen Ärmeln ist klitschnass.
Nach der Katzenwäsche putze ich gründlich meine Zähne. Meine Mundhygiene führe ich am Spülbecken im Vorraum der Dusche aus. Mit einem Mund voller Zahnpastaschaum erinnere ich mich an Khalids Worte, die mich vor dem afrikanischen Wasser gewarnt haben. Der deutsche Magen ist nicht auf tunesisches Wasser konditioniert. Die Folgen in Form von Magen-Darm-Symptomen, Übelkeit und Diarrhoe sind nicht von der Hand zu weisen.
Mit meinem schaumigen Mund laufe ich in die Küche, um eine Flasche mit Fourat-Wasser aufzutreiben. Sie steht demonstrativ auf dem Küchentisch. Davor sitzt Jadda und pickt Sonnenblumenkerne. Als sie meinen weißen Mund sieht, lacht sie schallend und reicht mir das stille Mineralwasser. Ich benutze ein Teegläschen als Ersatz für den Zahnputzbecher.
Hier ist alles so umständlich. Halte ich es de facto drei Monate in dieser unbequemen Einöde aus?
Zum Frühstück gibt es frisch gebackene Baguette-Stücke, die man in Harissa taucht und mit Oliven isst. Die grünen Oliven in der Holzschüssel überleben nicht lang. Jadda knabbert eine Olive nach der anderen an. Dabei schüttelt sie ihren Kopf und meckert: »Keib.« In Anbetracht der unappetitlich angebissenen Oliven verzichte ich dankend auf die grünen ovalen Produkte. Das rote Harissa ist schärfer als Nachbars Lumpi. Nach einem Stückchen Brot mit dem roten Satanszeug trinke ich die halbe Flasche Wasser leer. Dankend verzichte ich auf das weitere Frühstück und stelle mir fiktiv ein
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