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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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gegen meine Schwägerin keinerlei Chance. Zwei Stunden renne ich vermummt durch unsere Familienbehausung, ehe ich mich von der Pflanzenfarbe befreien darf.
    Unter der Dusche nimmt der rote Schlamm, der aus meinen Haaren läuft, kein Ende. Ich verharre so lange unter dem Wasserfall, bis jemand an der Tür ballert.
    Jamila schreit: »Stop the water.«
    »Why, I’m not ready.«
    »Please stop! Not enough water.«
    Ich, anspruchsvolle Deutsche, denke nicht an den horrenden Wasserverbrauch, ganz zu schweigen von den hohen Stromkosten. Ich bin für dieses wasserarme Land nicht geeignet. Ich drehe den Duschhahn zu und wische mir die Farbreste mit meinem Handtuch ab, das jetzt aussieht wie eine Anpreisung der Milka Kuhflecken-Schokolade. Ich bin traurig und schluchze, weil mir Khalid fehlt. Außer Jamila, die mit mir ein paar Brocken Englisch spricht, stehe ich rundweg auf der Loserseite.
    In Deutschland herrschen andere Sitten, aber wie soll ich das meiner tunesischen Familie veranschaulichen. Darum versuche ich, traditionell mitzuwirken. Allerdings gehört mehr dazu, als hinter verschlossenen tunesischen Türen auszuharren. Ich will sofort nach Hause telefonieren …
    Um mich abzulenken, schaue ich in den Spiegel und erschrecke zutiefst. Statt einer mahagoniroten Haarpracht umrahmen orangefarbene Zotteln mein Gesicht. Pumuckel lässt grüßen. War das unter Umständen keine Hennafarbe, die mir Shirin auf den Kopf gesalbt hat? Ich krame im blauen Müllsack nach den kleinen Tüten. Keine Frage, eindeutig Henna. Jamila doziert, dass mein Blondschopf die Hennafarbe nicht akzeptiert hat.
    Eine Warnung wäre angemessen gewesen, denke ich und beginne, Tunesiern zu zürnen.
    Shirin watschelt ins Wohnzimmer. Über ihrer Schulter hängt ein alter Rock von Jadda, in ihrer Hand trägt sie eine neue Schale, gefüllt mit schmutzigem Brei.
    Sie lässt den Rock in Waldas Schoß fallen, die unten auf der Erde sitzt und sich vor dem Fernseher langweilt. Walda zerreißt den Rock in größere Stofffetzen.
    Ich hocke mich neben Walda und helfe ihr, den Stoff zu zerfetzen.
    Shirin schneidet eine Handschablone aus und befiehlt mir, mich zu ihr auf das Bettsofa zu gesellen.
    Der Henna-Horror endet nie, denke ich und füge mich in mein Kismet.
    Shirin klebt mir die Schablonen in die Handinnenflächen. Ordentlich dick klatscht sie mir den Hennabrei in die Hände und pappt ihn fest. Walda verbindet meine Krallen mit dem Rockstoff von Jadda und deutet das Schlafzeichen an: Kopf schräg, eine Hand unter dem Ohr.
    Demzufolge muss ich diese Pampe die ganze Nacht ertragen. Meine Begeisterung hält sich in Grenzen, als Shirin an meine Fußsohlen will.
    »Mein Gott was habe ich verbrochen, dass du mich so sehr strafst?«
    Mit brachialer Gewalt stoße ich Shirin zur Seite. An meine Füße kommen nur Wasser und Fußpilzsalbe. Und kitzlig bin sowieso.
    Walda zeigt mir grinsend ihre dunkelrot gefärbten Füße.
    Ich kreuze die Hände vor meiner Brust: »Jemil, but not for me.«
    Meine Nacht verstreicht unruhig. Ich träume von Kühen, die Kuhfladen auf mein Haar absondern.
    Bei Sonnenaufgang spüre ich Klumpen in meinem Bett. Die Verbände haben sich gelöst, dadurch verlor ich angetrocknetes Henna. Als ich meine Hände befreie, bin ich teils bezaubert, teils geschockt.
    Meine Handinnenflächen zieren ein arabisch filigranes Muster. Entgegengesetzt leuchten meine Fingerkuppen rotbraun und sehen unhygienisch aus. Ich fühle mich wie ein Steiger, der in einer Mine Lehm ausgegraben hat.
    Ich schrubbe meine Finger, bis sie sich fast häuten. Zwecklos, denn Henna ist weder aus- noch abwaschbar. Mir bleibt die Wahl. Entweder bearbeite ich meine Hände bis zum Jüngsten Tag oder ich warte ab, bis die Farbe nach drei Wochen verblasst. Ich entscheide mich für die zweite Variante.
    Meine beiden Schwägerinnen haben sich gegenseitig tätowiert und meckern, weil die Farbe nicht korrekt gefärbt hat. In Tunesien bin ich mittlerweile eine zierliche Schönheit, dabei gelte ich in Deutschland nur als Mitläuferin.
    Walda zieht Jamila, Shirin und mich zu sich heran »Benti«, sagt sie hochbeglückt.

Hirngespinste
     
    Wenige Tage später ruft Khalid an: »Na Ausreißerin, hast du endlich genug und kommst zu mir zurück?«
    »Nö, ich will meine Zeit hier auskosten. Ich bleibe noch.«
    »Ist dir überhaupt nicht langweilig?«
    »Doch, aber wie soll ich dagegen vorgehen? Ich hänge oft Zuhause herum. Höhepunkte sind die wöchentlichen Souks, die ich mit Shirin und Walda oft

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