Reise in die arabische Haut
gefunden hat.
»Voilà.« Sie zeigt mit dem Finger auf den Plastikstuhl. Jamila und ich schauen uns vielsagend an.
Als Restauratorin eignet sich Jadda wahrhaftig nicht. Aber Geldnot macht halt erfinderisch.
Internetcafé
Immer, wenn mein Blick auf Shirins Computer fällt, der jungfräulich auf meinem Tisch steht, wünsche ich mir, einen Blick ins Internet werfen zu dürfen.
»Do you go with me to the publinet, to look after my book?«
Ich muss dringend nachsehen, auf welchem Rang mein Buch bei Amazon steht und ob Rezensionen geschrieben wurden.
»Yalla.«
Jamila wirft sich sofort eine beige Kutte über ihre Alltagskleidung und wartet am Portal. Sie setzt in meinem beruflichen Fall Prioritäten. Ich vermute, dass Khalid sie gebrieft hat.
Ich schlüpfe in mein schwarzes Sonntagskleid und binde mir das mit Röschen bestickte Tuch vorteilhaft um den Kopf.
»Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?«
»Olivia, Ihr seid die Schönste hier,
aber Khalid in Deutschland ist noch viel jünger und schöner als ihr.«
Einem wahrheitsliebenden Spiegel kann man nichts verdenken.
Innerhalb von drei Minuten erreichen wir das einzige Publinet im Ort. Schon beim Eintreten merke ich, dass der Laden Eigentümlichkeiten aufweist. Jamila bespricht mit dem Betreiber unser Anliegen. Dieser schickt uns eine halbe Etage höher. Der Inhaber hat durch den hohen Raum eine halbe Zwischendecke gezogen und insofern seinen Laden zweistöckig gestaltet. Allerdings reichten die Finanzen für eine gescheite Treppe nicht mehr aus.
Um ins Obergeschoss zu gelangen, kraxeln wir eine steile Leiter hoch. Kein Zuckerschlecken mit meinem langen Kleid, aber wider Erwarten klappt die Sprossenbesteigung relativ problemlos. Außer einem kleinen Riss im Saum und etlichen Staubflecken hat meine Robe nichts abbekommen.
Als ich vor dem Computer sitze, merke ich, dass es heikel ist, auf dieser arabisch/französischen Tastatur zu tippen. Um ein Wort einzugeben, brauche ich zwei Minuten, weil ich jeden einzelnen Buchstaben suchen muss. Mein blindes Zehnfingerschreiben kann ich durch die fremde Zeichenanordnung getrost vergessen. Wenn das Texten genauso weitergeht wie bisher, sitze ich noch heute Abend hier. Ich beschränke mich auf Amazon und ermittele, dass sich mein Kriminalroman im dreistelligen Bereich befindet. Es wird nicht mehr lange dauern, bis ich Horst Schlämmer auf den Bestsellerlisten Konkurrenz mache. Heute ist das Glück mir hold.
Neben mehreren positiven Rezensionen ist eine negative Bewertung mit einem Stern hinzugekommen.
Die suboptimale Kritik fesselt mein Augenmerk: »Per se eine spannende Liebesgeschichte mit allen ups and downs, die es im verruchten Leben gibt. Die Autorin beschäftigt sich akribisch mit dem Sterben. Sogar auf der letzten Seite ist der Tod präsent. Aus diesem Buch liest man grenzenlose Todessehnsucht heraus. Die vielen Druckfehler im Buch habe ich gezielt überlesen. Obwohl mir die Lektüre in den Grundzügen gefällt, gibt es nur einen Stern, da mich die depressive Art der Autorin erschlägt. Schade, dass Amazon auf einen Stern besteht, ansonsten wäre der Schmöker sternenlos.«
Ich kann mir denken, wer diese Rezension geschrieben hat, um mir zu schaden. Offenkundig war es meine Schwester, die es nicht verknusen kann, dass ich vor kurzem einen Arzt geheiratet habe. Was kann ich dafür, dass sie jahrelang mit einem Gebäudereiniger herumhängt, der sie partout nicht ehelichen will. Neidisch geht die Welt zugrunde.
Nach mühseligen Anfangsschwierigkeiten mausert sich mein Buch. Wie wird sich diese miese Kritik auf meinen Erfolg auswirken?
Ich versuche, über den geschäftsschädigenden Beitrag hinwegzusehen. Eine kleine Traurigkeit bleibt im Herzen stecken. Womöglich fällt durch diese lausige Beurteilung mein Kriminalroman wieder in die untersten Ränge zurück. Ein Jammer.
Als ich nachdenklich auf den Monitor starre, erinnere ich mich an die unzähligen Flyer, die im Koffer verstaut sind. Ich werde sie alsbald verteilen, merke ich mir vor und ahne nicht, dass ich damit meine Familie beträchtlich verprellen werde.
In meinem Mailpostfach tummeln sich massenweise E-Mails, die ich unmöglich mit dieser Tastatur bearbeiten kann. Ich übe kurzen Prozess aus und lösche meinen Mailaccount. Auf meiner Homepage schreibe ich: »Momentan bin ich unerreichbar, da ich mich auf Lese-Reise in Afrika befinde.«
Meine Mitteilung ist nicht gelogen und gibt mir einen interessanten Touch.
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