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Reise in die arabische Haut

Reise in die arabische Haut

Titel: Reise in die arabische Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea M Ben Habibi
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mittägliche Siesta. Ich gebe dem Köter unsere Essensreste zu futtern, damit er Ruhe gibt.
    Haustiere gelten in Tunesien als Nutztiere. Hunde führt man nicht an der Leine spazieren. Hunde bekommen kein Chappy. Hunde sind die Wächter des Hauses. Angeleint an der Hundehütte kläffen diese Tölen pausenlos und rauben einem tagsüber und des Nachts die kostbare Ruhe.
    Als die Uhr zweimal zur vollen Stunde schlägt, gönnt sich Alisha ein Stündchen Rast. Als ich das Geschirr abspüle, schreit das Baby nonstop in hellen Tönen. Ich wiege Jenna in meinen Armen. Mademoiselle weint. Neue Windeln bringen nix. Das Baby plärrt. Die kleine Flasche Milch, die ich ihr zubereite, behagt ihr genauso wenig. Sie brüllt munter weiter. Aus Angst, dass Alisha erwacht, lege ich das Mädel in die Sportkarre und düse mit ihr die Gasse hoch und runter. Dem Baby gefällt die rasante Formel-1-Fahrt unter der warmen Sonne Tunesiens. Ich höre keinen Mucks mehr.
    Die Nachbarn werfen mir argwöhnische Blicke zu.
    Ich sporne mich gerade mit dem Lied Das Wandern ist des Müllers Lust zum Weiterjoggen an, als Jadda wie eine Furie um die Ecke fegt. Ihre vorsintflutliche Krücke schleift am Boden.
    Fuchsteufelswild drängt sie mich beiseite und schiebt den Kinderwagen in Affengeschwindigkeit zurück in Alishas Domizil. Gibt es einen Grund für Jaddas aggressive Handhabung? 
    »Ya behim«, kreischt Jadda zornig, während sie das Baby behutsam herzt.
    Ich bin zutiefst beleidigt. Niemand nennt mich ungestraft einen dummen Esel.
    »Kannste lange drauf warten, dass ich dich nochmal massiere, du dumme Kuh«, kontere ich, wohl wissend, dass sie meine Sprache kein bisschen versteht.
    Alisha sitzt abwartend im geblümten Retrosessel, der mich an den Lieblingsstuhl meiner Großmutter erinnert. Jadda bettet ihr das Kind an die Brust. Stillzeit.
    Ich spüre, dass die beiden Frauen mit Karacho über mich herziehen. Ist das der Dank für meine stetige Hilfe? Ich gehe in den Hof und lasse mich lieber von dem Köter anbellen, als Jaddas Beleidigungen anzuhören.
    Als ich zurückkomme, beobachte ich Jadda, die drei Zuckerstückchen aus dem rotgoldenen Zuckerglas klaubt.
    Sie nimmt das Baby in den Arm und beginnt zu schwadronieren. »Allahu akbar, Allah kerim, um, um …«
    Sie kreischt undefinierbare Silben, wenn ihr einzelne Wörter entfallen sind.
    Während des Chorals streicht sie mit den Zuckerstückchen über die Aura des Babys. Abwechselnd singt sie fromme Lieder und spricht tunesische Gebete.
    Als sie ihr Ritual beendet hat, gehen wir zwei in gebührendem Abstand heim.
    Jamila tunkt gerade Fladenbrot ins Harissa, als sie uns kommen sieht. Auf dem Gasherd köchelt Couscous im eingebrannten Dampfkochtopf, der aussieht, als wäre er zwei Millionen Jahre alt.
    »Jamila, um das Baby zu beruhigen, habe ich es vor dem Haus im Kinderwagen spazieren gefahren. Dabei überraschte mich Jadda, die mich daraufhin Esel geschimpft hat. Unglaublich!«, beschwere ich mich auf Englisch.
    Jamilas Augäpfel quellen aus dem Gesicht. Das Brot bleibt ihr im Hals stecken. »What do you do?«
    »Nothing. Nichts.«
    Jamila enthüllt mir, dass ein Baby bis vierzig Tage nach der Geburt im Haus versteckt gehalten wird, um es vor dem bösen Blick zu schützen. Ich habe den Schutzzauber durchbrochen. Die Zuckerstückchen, mit der Jadda Babys Aura gereinigt hat, haben eine besondere Aufgabe. Sie sorgen dafür, dass das Kind nur mit der Zuckerseite des Lebens in Berührung kommt.
    Mich belastet der Streit zwischen der alten Dame und mir. Ich hole mir bei Jamila Rat. Diese versucht, zwischen Jadda und mir zu vermitteln.
    Nach meinem Ermessen zeigt sich Jadda kompromissbereit. Sie  erhebt sich aus dem abgeschabten, blauen Plastikstuhl, wobei ihr Hinterteil zwischen den Armlehnen festklemmt. Ohne sich daran zu stören, nimmt sie mich in den Arm und wispert: »Samahni.«
    Erleichtert nehme ich ihre Entschuldigung an. Aber der dumme Esel sitzt mir noch in den Knochen. Die nächste Massage ist erst wieder in drei Tagen fällig. Eine kleine Strafe muss sein.
    Da Jadda mir leid tut, befreie ich sie aus den Klauen des engen Stuhls. Ungestüm zerre ich an dem Sitz. Ratsch, ich habe eine Armlehne abgebrochen. Jadda ist zwar frei, aber der Stuhl gehört auf den Schrott. Böse verzieht sie ihr Gesicht. Ich warte auf den zweiten Esel, aber Jadda hält sich im Zaum. Sie organisiert Klebeband und restauriert damit die Plastiklehne. Über den Klebestreifen bindet sie ein altes Shirt, das sie im Stall

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