Reise in die arabische Haut
klettern umständlich auf den Rücken des Kamels. Als sich das stattliche Wüstentier erhebt, werden wir gerüttelt, geschüttelt und fast abgeworfen. Baba Ali hält uns fest, somit plumpsen wir nicht unweigerlich vor seine Füße. Wie halten das die Tuaregs aus? Das Kamelreiten muss der Familie schon in die Wiege gelegt werden. Einer Deutschen ist dieses Kriterium leider nicht zu Eigen.
Wir vollführen unseren Ritt durchs Achtelgelände. Schritt für Schritt traben wir an Jadda und Walda vorbei, die trostlos auf einem Baumstumpf sitzen und wurmstichige Datteln kauen. Shirin und Jamila salutieren lächelnd mit den Händen. Ich winke retour und verliere hierbei die Balance. Ali Baba schiebt mich in eine bequeme Sattelhaltung zurück. Latifa hockt auf Alis Schultern und ärgert unseren Personentransporter. Das arme Kamel.
Hoffentlich setzen wir heil auf dem Boden auf. Inschallah.
Von hier oben haben wir eine völlig andere Perspektive. Der Tiergarten ist ein weiträumiges Gelände mit Grünflächen, Bäumen, Sträuchern und Wasserrastplätzen für die exotischen Geschöpfe. Hier ist das Tier König und muss nicht hungern.
Als sich das Kamel auf den Boden sinken lässt und wir absatteln, flüstere ich: »Gott sei Dank. Allahu akbar.«
Meine Familie ruft sich das Nachmittagsgebet ins Gedächtnis, das sofort verrichtet wird. Unterdessen streicheln die Kinder und ich das brummig dreinschauende Kamel.
Jadda kredenzt mir eine Dattel. Die Frucht schmeckt zuckrig und lässt meinen Blutzuckerspiegel ansteigen. Ich verlange mehr Früchte. Würmer interessieren mich in meinem hungrigen Zustand nur peripher.
In einem Bassin schwimmen zwei Seehunde. Der eine heißt Max, den anderen nennen sie Maurice.
Max führt mithilfe seines Trainers Kunststücke vor. Er springt durch einen Reifen, er holt Bälle aus den Tiefen des Wassers. Er klatscht und verbeugt sich. Zudem küsst er seinen menschlichen Freund auf die Wange, wenn er einen Fisch will.
Der Entertainer Max ist mein Favorit. Ich starre gebannt auf das wellenschlagende Wasser und verfolge seine Runden im Pool.
Ali Baba drängt zum Aufbruch. Das Krokodil, welches wir im Anschluss sehen, liegt bewegungslos und voll gefressen in der Sonne. Erwartungsvoll beugen sich Jadda und Walda über das Brückengeländer und warten darauf, dass das Tier aufwacht. Ich stelle mich auf einen langen Tag ein.
Die Kinder ziehen an meinem Kleid. Sie finden das schlafende Reptil genauso uninteressant wie ich. Wir entfernen uns einige Schritte von dem Gehege. Schon bald folgt uns die restliche Sippschaft. Vereint widmen wir uns den Kängurus, die im nachgebildeten, australischen Outback hin- und herhopsen.
Seit drei Stunden irren wir durch den zoologischen Garten. Ich habe bisher nur ein Eis und einige Datteln im Magen. Die winzigen Würmer, die zusätzlich in den Eingeweiden herumkrauchen, zähle ich nicht mit.
Ich tippe auf meinen Bauch und flüstere: »Jiana.«
Ali Baba führt uns in das Shaka-Restaurant, ein Nobelschuppen der Extraklasse. Die Tische, die mit Tischdecken, prunkhaftem Blumenschmuck und Servietten gedeckt sind, hinterlassen einen pompösen Eindruck. Die von der Kuppel heruntergespannten Stoffbahnen imponieren als ein Baldachin über unseren Köpfen. An der rechten Seite steht ein rundes Podest, das mit allerlei afrikanischen Materialien verziert ist: Masken, Malereien und neunundneunzig schwebenden, weißen Luftballons. Auf dieser höher gelegten Stufe trommeln fünf halbnackte Schwarzafrikaner im Dreiviertel-Takt. Bekleidet mit bunten ledernen Lendenschurzen und weißen, zotteligen Stulpen sehen sie wie Neandertaler aus. Um die Stirn haben sie geflochtene Lederbänder geschlungen, was wiederum Indianern näher kommt.
»Jetzt fehlen nur noch die weißen Federn und es sind waschechte Winnetous«, urteile ich und stiefele dicht hinter Walda her, die sich einen Sitzplatz in der Nähe der Gruppe sucht.
Jadda streicht unglücklich ihre Burka glatt. Wie wird sie dieses Lokal verkraften? Wir setzen uns zu Walda an die geschmückte Tafel.
Als eine afrikanische Servicekraft auftaucht, bestellt Ali Baba für uns alle ein Familienmenü.
Vorab stellt die Bedienung einen großen Korb mit zerteiltem Baguette auf den Tisch. Dazu bekommt jeder von uns zwei kleine Schälchen mit kalten Soßen. Ich tunke das Baguette in die weiße Farbe. Fettige Mayonnaise. Ich tunke das Baguette in die rote Farbe. Superscharfes Harissa. In Anbetracht der mir nicht mundenden Soßen bleibt mir nichts
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