Reise in die arabische Haut
hereinschneit. Sie nimmt mich in den Arm und sagt: »Tau enhausu.«
Seit diesem Vater-Sohn-Telefonat kümmert sich meine Familie vorbildlich um mich und zeigt mir ihr Heimatland von der attraktivsten und lustigsten Seite.
Friguia-Park
Am nächsten Morgen brechen wir zu einem Familienausflug auf. Mehdi plappert von Friguia und Hayawanet. Wir gondeln mit zwei Autos durch die Gegend, weil unsere Sippe für einen PKW zu umfangreich ist.
Im Mercedes haben Baba Ali und Walda den schönsten Ausblick aus der Frontscheibe. Jadda und ich nehmen die Rückbank ein und begnügen uns mit der krummen Sicht aus dem Seitenfenster.
Shirin steuert den modernen, silbermetallicfarbenen Clio, ausgeliehen von Schwager Saboor, auf dessen Rücksitz Jamila, Mehdi und Latifa die Stellung halten.
Wir streben die nördliche Gegend an. Auf der Autobahn passieren wir mehrere Mautstellen, deren Durchfahrt Ali Baba mit tunesischen Münzen freikauft.
Nach zwei Stunden Fahrt knallt der Clio und schlingert wellenförmig auf der Straße. Ich räuspere mich abfällig.
»Frau am Steuer …«
Weitere Sekunden später steht das Auto still. Ali Baba beobachtet das Dilemma durch den Rückspiegel und lässt den Mercedes auf dem Seitenstreifen ausrollen. Außer Jadda rennen wir alle zu Shirin, die zerknirscht vor dem Lenker kauert.
Ursache des beinahe Unfalls ist ein geplatzter Reifen.
Shirin ist verstört. Apathisch steigt sie aus dem Wagen, wirft ihren Gebetsteppich, den sie allzeit mit sich führt, auf den Asphalt und bedankt sich überschwänglich bei Allah, dass er Schlimmeres verhütet hat.
»Allah, ana mafjua.«
Jadda thront derweil auf dem Fahrersitz im Benz und hupt sporadisch einen Koranvers. Weshalb? Vielleicht, um andere Autofahrer zu warnen. Vielleicht, um uns mitzuteilen, dass wir uns beeilen sollen. Oder aus Langeweile. Jadda bleibt wie immer rätselhaft.
Saboor hat keinen Ersatzreifen im Fahrzeug. Dafür sind in Alis Benz zwei Autoreifen deponiert. Einen davon tauscht er mit dem defekten Reifen aus.
Baba weist Shirin darauf hin, dass momentan ein ungünstiger Zeitpunkt für ein Gebet ist. Sie erhebt sich ohne Widerworte. Jadda hupt die deutsche Nationalhymne. Die habe ich ihr beigebracht.
Nachdem drei vorbeifahrende Polizeistreifen unsere Personalien aufgenommen haben, dürfen wir unseren Ausflug fortsetzen. Die Kinder strahlen. Und Jadda stoppt endlich ihr monotones Tuten.
Die Kulisse des Friguia-Parks lädt uns zu einem gemütlichen Nachmittag ein. Die Grünanlage ist ein großer, entzückender Tiergarten. Die Gehwege sind ordentlich gefegt. Wildtiere aus aller Welt leben in angelegten Freigehegen und haben massenhaft Platz zum Jagen und zum Ruhen, zum Verstecken und zum Flanieren. An den Seitenrändern der Pfade beeindrucken afrikanisch geschnitzte Sitze aus Baumstämmen. An einer Weggabelung trommeln Schwarzafrikaner. Massais?
In kleinen Geschenkboutiquen hängen Pfeile und Masken an den Wänden. Auf Tischen liegt allerlei Perlenschmuck, der für wenige Dinar zu ersteigern ist.
Manche Hütten bieten Eis und andere Leckereien zum kostspieligen Preis an. Ali Baba spendiert eine Runde Sahneeis. Wir lassen diese nicht alltägliche Erfrischung gemächlich auf der Zunge schmelzen. Elhamdulillah. Danke Gott für diese Köstlichkeit.
Meine Verwandtschaft schüttelt ungläubig den Kopf, weil ich bei jedem exotischen Tier in Entzückungsschreie ausbreche. Kann meine Sippe keine Emotionen zeigen? Sind Sie nicht betört von dem freilebenden wilden Getier? Nach kurzer Besonnenheit raffe ich, dass diese tierischen Lebewesen in Afrika zu Hause sind. In Deutschland breche ich auch nicht in Begeisterung aus, wenn ich eine Kuh sehe.
Mein Anhang interessiert sich eher für die europäischen Meerschweinchen, die mich weniger begeistern.
Der Zeltplatz, der rechts des Weges liegt, besteht aus Manyattas. Die Biwaks sind von einer Seite offen. Samburus und Massais haben in diesem Park eindeutig ihre Spuren hinterlassen. Schwarzafrikanische Eindrücke bestimmen das Zoo-Bild. Ich setze mich an ein Lagerfeuer, das inmitten einer Hütte glüht. Ali Baba zückt seinen Fotoapparat.
In Deutschland werde ich bekanntgeben, dass ich einige Zeit in einem Zelt leben musste. Wer es glaubt, ist selber schuld.
Nebenan langweilen sich meine Artverwandten, die phlegmatischen Kamele. Ich gehe auf ein Tier zu, welches am Boden kniet, und streichele über sein borstiges Fell. Ein Beduine fragt mich, ob ich aufsatteln möchte.
Der mutige Mehdi und ich
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