Reise in die arabische Haut
anderes übrig, als das knackige Brot trocken zu futtern. Jadda sieht, dass ich die Soßen ignoriere. Ausgemergelt tunkt sie ihr Baguette in das Harissa. Eine Besonderheit habe ich in Tunesien gelernt. Wer Hunger hat, muss essen, auch wenn es von fremden Tellern ist.
Wir nippen an stilles Mineralwasser aus dünnwandigen Wasserkelchen. Jadda schlürft schwungvoll ihr Glas aus. Dass sie dabei eine Wasserfontäne in die Luft spritzt, spielt keine Rolle. Die Abkühlung nützt uns allen.
Das Hauptgericht, aufgetischt in mehreren Schüsseln mit Couscous, Lammfleisch und Gemüse, lädt uns zu einen Galadinner ein.
Als Europäerin fülle ich mir Couscous in eine Ecke des Tellers. Das Lammfleisch lege ich daneben, während das Grünzeug das leere Drittel ausfüllt. Jamila verhöhnt meine systematische Zusammenstellung.
Meine afrikanischen Familienmitglieder schaufeln sich Couscous, Gemüse und Lammfleisch ohne Anordnung auf die weißen Platten. Sie mischen die einzelnen Zutaten grob mit der Gabel, sodass unsere ehemals weiße Tischdecke zahlreiche Farbkleckse aufweist. Mit strengem Blick beobachte ich unsere Mahlzeitenrunde und sehe, dass meine tunesischen Anverwandten genüsslich mit dem Löffel ihr Menü verspeisen. Meine Reihenfolge läuft so ab: Gabel ins Couscous, Gabel in den Mund, Gabel ins Lammfleisch, Gabel in den Mund, Gabel ins Gemüse, Gabel in den Mund. Irre umständlich. Es kommt ohnehin alles in einen Magen und vermischt sich dort. Kurzerhand vergesse ich meine deutsche Kinderstube.
Ich pansche beachtlich, sodass auch von mir einige Farbtupfer das Tischtuch verzieren.
Ali Baba grinst zustimmend mit vollem Mund. Jadda stößt mit ihrem Löffel in mein Menü, um zu testen, ob es von meinem Teller besser schmeckt, als von der eigenen Platte.
Na und? Wir sind eben eine typisch tunesische Familie.
Als wir über die Autobahn heimwärts rollen, fährt vor uns ein offener LKW, der bisweilen Kieselsteine von der Ladefläche verliert. Es klackt auf unserer Motorhaube. Baba echauffiert sich fürchterlich über diesen Brummi und verständigt an der nächsten Mautstelle telefonisch die Polizei. An einer weiteren Mautstelle sehen wir, dass die Shorta einen Lastwagen anhalten. Wir freuen uns, dass wir das Ärgernis beseitigt haben. Zu früh gefreut. Die Polizei hat den falschen Lastkraftwagen angehalten. Nach einem weiteren Kilometer fliegen uns schon wieder Kieselsteine um die Ohren beziehungsweise auf das Autodach.
Kamelmarkt in Nabeul
Am heiligen Freitag hat Ali Baba mit uns etwas Besonderes vor. Ich hoffe nicht, dass wir eine Moschee besichtigen. Zum Beten fehlt mir bei diesem herrlichen Sonnenschein die rechte Leidenschaft.
Baba kutschiert seine antike Nobelkarosse aus der Garage.
Es wird ein Tag des Dreiergespanns. Außer mir fährt nur noch Walda mit.
Ein gemütlicher Tag beginnt, denke ich und schwelge in himmlischer Ruhe. Wenn Jadda und meine Schwägerinnen zugegen sind, ist lautes Palaver angesagt. Heute höre ich nur gedämpfte Lieder aus dem Autoradio, was gut zu meiner Stimmung passt.
Nach knapp zwei Stunden pannenfreier Autofahrt landen wir in der Universitätsstadt Nabeul. Baba zeigt mir die Hochschule, in der Khalid sein Studium begonnen hat. Unbedeutend. Es gibt von außen keine Unterschiede zu deutschen Unigeländen.
Wir schlendern durch die Keramikstadt und sehen zahlreichen Töpfern bei ihrer Arbeit zu. Schalen, Vasen, Teller und Kacheln werden in den Hinterstübchen getöpfert. Die mit Ornamenten angemalten Teller sind viel zu schade zum Benutzen.
Ob das Geschirr Mikrowelle und Spülmaschine übersteht?, frage ich mich und verscheuche sogleich meine deutschen Gedanken. Hier in Tunesien spielen Geschirrspüler und Mikrowelle, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle.
Ali Baba hat heute Morgen nicht zu viel versprochen. Eine ausgiebige Shoppingtour ist nicht zu verachten. Zumal nicht für die Deutsche, die nur das eintönige Angebot vom Heimat-Souk kennt. Baba kauft bunte Teller, Dekofliesen und eine Tajine für mich, die ich später nach Deutschland exportieren darf.
»Shukran Baba.« Endlich attraktives Geschirr im deutschen Haushalt.
Mich zieht nichts mehr nach Wiesbaden, aber früher oder später werde ich mein Päckchen schnüren müssen. Gedankenstopp. Ich lebe jetzt, nicht in der Vergangenheit und nicht in der Zukunft. Die Vergangenheit ist Historie und heute ist morgen Vergangenheit. Wo bleibt in diesem Fall die Zukunft? Diesen analogen Spruch habe ich vor Jahren
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