Reise in die Niemandswelt
Geschichte, mit dem dünnsten und durchsichtigsten aller Filme, einem Hauch, in dem das Ich gelöst war und in der Lösung allem anhaftete, was war, und vielem, was nicht war: den Träumen und Fantasien, den Ängsten und den Wahngebilden.
Denn alles, was dachte, lebte zum einen in der Welt aller anderen, zum anderen aber in einer bloß eigenen Welt, die nur ihm selbst verständlich war und manchmal nicht einmal ihm selbst.
Die Gedankenwelt war zugleich allumfassend und unvorstellbar klein, eine Miniatur des Universums, ganz bei sich und ganz in sich gekehrt. Sie stand allem offen und war gegen alles verschlossen, eine gläserne Rüstung, von der der Gerüstete dachte, dass sie ihn undurchschaubar hielt und dem Einblick aller verborgen.
Wer so dachte, wusste eben nichts von den Telepathen. Von den Psi-Begabten, die lautlos und immateriell vorbeischauten und Einblick nahmen.
Die mühsam und schlagartig verstanden, alles und nichts begriffen, mitfühlten ohne Mitgefühl, da waren ohne Dasein.
Ras spürte, wie das Lloyd-Bewusstsein sich ausrichtete. Es dauerte nur einen Sekundenbruchteil, bis er auf die
Gedankenwelt von Grek 363 und Perbo Lamonca orientiert war.
»Denkt an die Orte, von denen ihr vermutet, dass sich dort die Schattenmaahks aufhalten«, mahnte Diamond mit einer Stimme, die tiefer klang als sonst, beinahe suggestiv.
Als könnte sie die beiden hypnotisieren. Oder ihre Konzentration beschwören, dachte Ras.
Ras spürte, wie sich die Gedankenwelten von Grek 363 und Perbo Lamonca verschoben, die Gedankenwelten, zwischen denen das Lloyd-Bewusstsein rasend schnell pendelte, oszillierte. Wie sie sich den Polyport-Hof vorstellten, seine Ebenen, Gänge und Regionen.
Alles sehr vage, bunt schillernde Schatten, unstete Modelle.
Hier und da divergierten die Bilder, hier und da schienen sie deckungsgleich. Solche Momente ließen Lloyd hellhörig oder hellsichtig werden, er vertiefte sich, sank ein, erforschte.
»Jetzt«, hörte Ras Fellmer Lloyd mit seinem eigenen Mund sagen.
Ras reichte Diamond und Lamonca die Hand. Diamond ging in die Hocke und fasste Ramoz in den Nacken.
Lamonca berührte den Schattenmaahk an der Hüfte.
Ras Tschubai übernahm Lloyds Zielvorstellung und teleportierte.
Luna-Park
Rhodans Sturz näherte sich seinem Ende. Das Grab aus dunklen Turbulenzen war empfangsbereit.
Sollte er sich aufgeben? Warum nicht.
Am Ende wird man sich zur Last, und die Entlastung wird Erlösung. Denn wovon werden wir erlöst, wenn nicht von uns selbst und unserem Willen, der sich an alles haftet, sich an alles krallt, an nichts aber stärker als an uns selbst?
Danach wäre alles leicht, so leicht ... wozu stürzt man sonst, wenn nicht um dieser Entlastung willen?
Er warf einen letzten Blick auf das Netzwerk. Auf die unzähligen Bewusstseine, die auf Wanderschaft waren durch diese weltabgewandten Areale der Sterneninsel.
Bewegte sich da nicht ein Lichtpunkt im Netz genau auf ihn zu? Wie ein Tropfen Tau in einem Spinnennetz und zugleich ganz anders: glitt über die Fäden, wechselte, wo sich Fäden kreuzten, seinen Leitfaden, näherte sich Rhodan schneller, als er seiner Gruft zufiel.
Das Etwas eilte sehr. Aber würde es ihn erreichen, bevor er seinen Tod fand?
Wohl kaum.
Dabei hätte Rhodan gerne gewusst, was es mit dem lichten Tropfen auf sich hatte. Neugier. Eine der Lieblingsmasken unseres Willens, der sich an allem haftet, sich an alles krallt, dachte er mit leichtem Spott.
Er wollte langsamer stürzen und siehe da, es gelang. Wenn er es auch nicht vermochte, seinen Sturz endgültig zu unterbrechen, so war es ihm doch gelungen, seinen Fall zu verzögern.
Rief ihn da nicht etwas? Er lauschte. Ein ferner Klang, eine Stimme aus weiter Ferne sagte: »Trust me. I am your only salvation. Vertrau mir. Ich bin deine einzige Rettung.«
Man sprach also Englisch in der Unterwelt Andromedas. Wer hätte das gedacht? Allerdings: Warum auch nicht? Schließlich gehörte Englisch mit nicht mehr als vielleicht noch fünf oder zehn muttersprachlichen Sprechern im Universum längst zu den toten Sprachen.
Tote Sprache im Totenreich.
*
Rhodan wusste intuitiv, dass ihm keine andere Wahl blieb. Er richtete all seine Sinne auf die Stimme, sah ihr flimmerndes Echo, schmeckte ihre verlockende Bitternis, tastete ihre Oberfläche ab, doch die war glatt und fugenlos. Er glitt ab, versuchte es erneut. Begann, sie zu wollen krallte sich fest, biss zu und haftete mit seiner von aller Realität entblößten Haut an
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