Reise in die Unterwelt
sollten wir jetzt unseren Weg zu den Gewürzfeldern finden?«
Mumber Sull teilte jedoch Polderbags Begeisterung. »Wer weiß, aus welchen Gründen sie sich ihrer Verpflichtung entzogen hat. Es hat gewiß nichts mit uns persönlich zu tun. Und was ist einfacher, als auf dieser breiten Straße den Weg zu finden? Irgendwann werden wir auch auf Bewohner dieses Landes stoßen, die uns sicher weiterhelfen können.«
Cugel unterdrückte seine Bedenken, und das Trio setzte seinen Marsch fort. Sie waren jedoch noch nicht weit gekommen, als die breite Straße anfing eben zu verlaufen. Sie wurde ziemlich schnell immer schmaler, bis sie schließlich nicht mehr als ein Steinpfad über ein flaches, dampfendes Moor war. Und dieser Sumpf war auf gespenstische Weise beleuchtet. Der phosphoreszierende Stein, der ihnen unterwegs oftmals aufgefallen war, bildete nunmehr eine geschlossene Decke über dem Moor und verbreitete ein düsteres Licht.
Leider wies der Steinpfad bald immer breitere Risse auf, so daß sie des öfteren über dampfende Stellen hüpfen mußten, um wieder auf einigermaßen trockenen Boden zu gelangen. Nach einer Weile endete die Straße sogar ganz. Stellenweise stapften sie durch wadenhohen Schlamm. Durch ihre Bemühungen, auf wenigstens einigermaßen sicherem Grund zu bleiben, kamen sie nur noch in unregelmäßigem Zickzackkurs voran, zwischen schwarzem blubberndem Moor hindurch und gelben Teppichen aus Blasenpilzen.
Es stellte sich bald heraus, daß dieses Sumpfgebiet eine unvorstellbare Zahl von Wesen behauste. Die meisten waren froschähnlicher Statur, doch waren auch geflügelte darunter. Als die Augen der Wanderer sich an das Licht gewöhnt hatten, konnten sie sie bald schon aus der Ferne unterscheiden, obwohl sie sich gewöhnlich schnell versteckten, wenn sie die Menschen nahen sahen.
Ein Grät mit Fledermausflügeln erhob sich quiekend in die Luft und bewarf sie mit seinem Kot. Eine Meute Banditenratten überquerte in ihrer Verfolgung eines Schrills ihren Weg. Einen Augenblick später erschraken sie über ein aufgeregtes Schreien, das ihnen zu gelten schien.
»Missetäter! Verbrecher! Halt! Ich verlange Gerechtigkeit!« Die drei blieben stehen und drehten sich um. Ein Hidlingweibchen schäumte vor Wut und deutete den mittleren Finger ihrer dreifingrigen Pfote anklagend auf sie. Das heißt, sie deutete ihn auf Polderbag, den sie auch direkt beschuldigte. »Du! Du Fettwanst! Du bist der Mörder, der mein Kind getötet hat. Und die zwei neben dir sind deine Komplizen.« Die tobende Gestalt starrte nun auf etwas, das sie an ihre Brust drückte. »Ja, mein Sohn, er war es, dessen watschelnde Häßlichkeit deine Schönheit auslöschte. Oh, mein geliebter Snoddkip, nun habe ich dich verloren!« Das Ding, das sie an sich preßte, schien nicht mehr als ein schmutziger Lappen unbekannten Materials.
Polderbag faßte sich als erster. »Ich, ein Mörder!« rief er. »Welch infame Verleumdung!« Der Dicke blickte sich unsicher um, denn das Geschrei des Hidlingweibchens hatte eine beachtliche Zahl von Sumpfbewohnern angelockt. Ihr Knurren, Gemurmel und wütendes Zischen verriet unverkennbar, wessen Partei sie ergriffen hatten.
»Verleumdung, heh?« schrie die ihres Kindes beraubte Mutter. »Ich bin Zeuge deiner Schuld! Willst du vielleicht gar einen Meineid schwören und diese Sünde noch dem Mord hinzufügen? Du unverschämter, gemeiner Oberweltler! Oh, mein Sohn, mein heißgeliebtes Poddlewortchen, du sollst gerächt werden. Ich verlange eine Gerichtsverhandlung!«
Die weiter anwachsende Zuschauermenge stimmte in ihren Ruf ein: »Gerichtsverhandlung! Gerichtsverhandlung!« Gleich darauf rief einer am Rand der Neugierigen: »Bogwad!« Auch dieses Wort wurde aufgegriffen, und nun brüllten alle: »Bogwad! Bogwad!«
Plötzlich bildete die Menge eine Gasse, um eine aufgequollene Gestalt hindurchzulassen, die auf die drei zuwatschelte. Sie hob schwabblige Arme, und sofort verstummten die Sumpfkreaturen.
Bogwads flacher, halsloser Schädel saß auf einem fast kugelförmigen Rumpf. Er musterte die Reisenden, und sein Maul, ein langer Strich, bog sich zu einem breiten Lächeln.
»Ein gar seltenes Vergnügen«, dröhnte seine Stimme, »hier bei uns Fremde begrüßen zu dürfen. Sie bringen einen Hauch der großen Welt in unseren kleinen Sumpf. Nur wundert es mich, daß ihr so schnell die Aufmerksamkeit so vieler meiner Untertanen auf euch gelenkt habt.«
»Wundert Euch nicht länger, mein Lord«, kreischte das
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