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Reise in die Unterwelt

Reise in die Unterwelt

Titel: Reise in die Unterwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Shea
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schnelleren Bewegung bei. Sie packte die Peitsche und riß sie Cugel aus der Hand, ehe er sie zurückziehen konnte. Heulend ballte sie die lebende Schnur in ihren Händen zu einer blauen formlosen Masse zusammen. Dann setzte sie mit ihrer Elefantenstatur wieder zum Angriff an.
    Auch jetzt wichen die drei ihr mit Leichtigkeit aus und hielten gleichzeitig Ausschau nach einem Fluchtweg. Die Wut des Fleischkolosses wuchs noch durch die Frustration. Slog brüllte mit sich überschlagender Stimme nach ihren Untergebenen, doch keine ließ sich blicken. Schließlich hielt sie Ausschau über das Frachtdeck. »Sklaven!« kreischte sie. »Sklaven! Nehmt diese drei fest! Fangt sie und übergebt sie mir.«
    Die Insektenarbeiter schienen zu erstarren, dann drehten sie sich alle in exakter Gleichmäßigkeit und, als beherrsche ein einziger Gedanke sie, hüpften auf Sull, Cugel und Polderbag zu. Einige dieser Kreaturen waren sechs Meter hoch, und ihr Sprung trug sie eine beachtliche Entfernung. Obgleich sie sich alle verhältnismäßig weit weg befunden hatten, war den drei Männern doch klar, daß sie schon in Augenblicken umzingelt sein würden.
    Bei so imminenter Gefahr überlegte Polderbag nicht lange. Er starrte verzweifelt um sich. In nächster Nähe stand ein hoher Kran, von dem, etwa dreißig Meter über dem Dach, eine Frachtblase hing. Diese Kugel war groß genug, um ein dreistöckiges Haus zu enthalten – und das war hier auch der Fall. Darauf achtete Polderbag jedoch nicht. Alles, was er in seiner Panik sah, waren die Querbalken des Krans, die man im Notfall emporklettern konnte. Er stürzte sich darauf und zog sich daran hoch.
    Sull und Cugel, obwohl ebenfalls verzweifelt, behielten einen klaren Kopf und sahen deshalb die Gefahren von Polderbags Entscheidung, aber sie erkannten auch, daß dieser Weg ihre einzige Chance sein mochte. Also kletterten auch sie hastig den Kran hoch.
    Den Flüchtlingen war gerade soviel Zeit geblieben, hoch genug zu kommen, daß auch der größte der Insektensklaven, die nun fast alle heran waren, sie von unten nicht mehr erreichen konnte. Der Gedanke, selbst den Kran zu erklimmen, kam den Kreaturen offenbar nicht – vielleicht, weil es etwas war, das man ihnen noch nie zu tun befohlen hatte. Die drei profitierten durch dieses Zögern und gelangten immer höher, aber immer klarer wurde ihnen auch, daß ihre Zuflucht eine Sackgasse war.
    Slog, aufgebracht über die Untätigkeit ihrer Sklaven, ballte wütend die zerstochenen Hände zu Fäusten. Eine neue Schmerzwelle überflutete sie, und mit ihr wuchs ihr Grimm. »Klettert ihnen nach!« heulte sie. Doch als sie sah, daß alle gleichzeitig ihrem Befehl nachzukommen drohten, erschrak sie, denn der Kran würde dieses Gewicht nie aushalten.
    »Halt! Zurück!« brüllte sie. »Kylops VII wird den Menschen allein nachklettern. Kylops! Beweg dich! Bring sie lebend und bei vollem Bewußtsein zu mir.«
    Einer der Sklaven, zweifellos, der größte, begann hochzuklettern. Die Fliehenden spürten das Schwanken des Krangerüsts und blickten zurück. Der Schreck über ihren Verfolger trieb sie zu noch größerer Geschwindigkeit an.
    Etwa dreißig schwindlige Meter über dem Dach erreichten sie den Ausleger des Krans, an dessen Ende, hoch über den emporstarrenden Sklaven, die riesige Frachtblase hing. Mit Kylops dicht auf den Fersen, blieb ihnen keine andere Wahl, als den Ausleger entlangzuhasten. Verzweifelt starrten sie auf die durchsichtige Frachtkugel, die von einer Art Ledergeschirr am Kranhaken gehalten wurde, und in der sich das dreistöckige Haus befand. Der Ausleger schaukelte entsetzlich, als nun auch der schwere Sklave darauf balancierte.
    Von unten mußten die Bewegungen Kylops so langsam wie das Kriechen eines Käfers auf einem Zweig aussehen, denn der Anblick machte Slog halb wahnsinnig vor Ungeduld. »Willst du dich wohl beeilen, du Taugenichts!« brüllte sie hinauf. »Klemm sie dir unter die Greifer und bring sie herunter!«
    Ihr Wutgebrüll trieb den gehorsamen Riesen zwar an, aber je mehr er sich beeilte, desto heftiger schaukelte der Träger. Die drei Männer hatten sich haltsuchend auf den Boden geworfen und klammerten sich zitternd an den Ausleger.
    Slog erkannte inzwischen jedoch, daß das Gewicht des Riesen nicht nur die drei Männer, sondern auch den Kran selbst in Gefahr brachte. Eilig überlegte sie sich einen Plan, der ihr die Gefangenen auf sicherere Weise und unbeschädigt ausliefern würde.
    »Bring den Blasenöffner!«

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