Reise mit Hindernissen nach England und Schottland
Hill ist ein flacher Hügel, auf dem die Edinburgher Stadtverwaltung verschiedene Monumente errichtet hat, und nach alter Gewohnheit sind sie alle Imitationen antiker Bauwerke. So bildet etwa bereits auf den ersten Stufen der Treppe das Denkmal von Dugah-Stewart die Laterne des Demosthenes nach; weiter oben ist das Observatorium nach dem Vorbild des Tempels der Winde in Athen gebaut. Auf der Kuppe erhebt sich das Nelson-Denkmal in beachtliche Höhe, doch es wird noch überragt von einem Seezeichen für die Schiffe, die den Forth durchfurchen: Es handelt sich um einen Turm von erbarmungswürdiger Gestalt, der das Auge durch seine plumpen Konturen beleidigt. Daneben stehen die zwölf korinthischen Säulen der Vorhalle eines unvollendeten Tempels, dies ist das Nationalmonument Schottlands. In einer patriotischen Stunde, nach der Schlacht von Waterloo, und um das Andenken daran wachzuhalten, war sein Bau per Akklamation beschlossen worden; doch schon bald fehlte es an Geldmitteln, und so ist von diesem Projekt nur eine moderne Ruine stehengeblieben. Es hätte die exakte Nachbildung des Parthenontempels werden sollen, dieses Meisterwerks der antiken Architektur. Im übrigen nimmt sich dieser halbfertige Portikus auf dem Hügel vortrefflich aus. Und man muß schon sagen, wenn all diese Denkmäler mit ihrer schlechten Ausführung und ihren grauenhaften Details jedes für sich genommen weder Anmut noch Stil besitzen, so werden sie durch die Gesamtheit doch aufgewertet und machen sich gut in der Landschaft. Dieser Ehrgeiz, an etwas erinnern zu wollen, ist immer noch besser, als nach nichts auszusehen wie so viele Monumente in Frankreich.
Von der Terrasse des Calton Hill genießt man eine wunderschöne Aussicht, und hier pflegt die vornehme Gesellschaft der Stadt ihren Überdruß spazierenzuführen, wenn ein Sonn-oder Feiertag sie nicht dazu zwingt, ihn in den eigenen vier Wänden hinunterzuschlucken. Jacques und Jonathan waren also allein und betrachteten schweigsam die Nordsee und die umliegenden Küstenstreifen.
»Wo essen wir denn zu Mittag?« fragte Jacques nach einer Weile.
»Wie gewöhnlich, in unserer kleinen Taverne an der High Street!«
»Einverstanden mit der Taverne, laß uns hinuntergehen.«
Sie kamen an der High School vorüber, einem weitläufigen griechisch-ägyptischen Tempel, der den Eindruck erwecken möchte, er stamme mit seiner Widmung an Theseus geradewegs aus Athen. Dann schlenderten sie am Gefängnis entlang und erreichten über die Nordbrücke, die den Obst-und Gemüsemarkt beherrscht, und die General Railway Station ihre heißersehnte Taverne. Doch es gab kein Mittagessen, die Tür war verschlossen; sie klopften, erfolglos! Sie suchten nach irgendeinem anderen Coffee House, erfolglos; sie fragten, wo man sich etwas zu essen besorgen könne, erfolglos. Am Sonntag wird in Edinburgh, und in ganz Schottland, nicht gegessen; Köche und Kaufleute sind bei der Predigt oder im Gottesdienst. Als Pariser konnten sie über diese Eigentümlichkeit nicht Bescheid wissen, und so kamen sie, vor Entkräftung fast umfallend, ins Hotel Lambret zurück.
»Das ist doch ein starkes Stück«, sagte Jacques, »sonntags regt sich bei ihnen also nur die Seele!«
Im Hotel konnten sie sich endlich ausgiebig, ja sogar zu ausgiebig, stärken, denn zwei Pinten von jenem schottischen Ale, dem sie nicht genügend mißtrauten, hätten Jacques beinahe sterbenskrank gemacht; er mußte sich für eine Stunde aufs Ohr legen und wachte mit einer heftigen Migräne wieder auf. In diesem Zustand schleppte ihn Jonathan zu ihrem Treffen mit Mister B. unter der William-Pitt-Statue.
Das Hauptziel dieses neuen Ausflugs war ein Besuch im Schloß von Edinburgh, doch zunächst durchquerten sie die Parkanlagen der Princes Street; in früheren Zeiten war diese auf so wunderbare Weise umgewandelte Schlucht nichts weiter als ein See, der die unmittelbare Umgebung der Festung verteidigte. Er wurde zum Teil mit der Erde aufgeschüttet, die aus dem Areal der Neustadt gegraben wurde; die Rasenflächen sind von einem satten und frischen Grün, und jedermann spazierte umher, wie es ihm gefiel. Mister B. und seine Gäste ruhten sich einige Augenblicke auf einer der vielen Bänke dieses reizenden Spazierweges aus und kehrten dann über die Waverley-Brücke in die Oberstadt zurück. Diese Brücke überragt den zweiten Teil der Schlucht, hier liegt die General Railway Station, in der die verschiedenen Eisenbahnen Edinburghs zusammenlaufen, wie etwa die
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