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Reise nach Genf

Reise nach Genf

Titel: Reise nach Genf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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schob sich in den zweiten Eingang. Auch er setzte rückwärts in die Lücke, auch er hatte einen wellengetriebenen Heuwender eingespannt.
    »Jetzt kommt ihr nicht einmal mehr zu Fuß raus«, sagte ich laut. Ich winkte Alfred zu, und er ließ den Wender schnell laufen. Das rechte Horrorszenario für verwirrte Jugendliche: Fleischwölfe für Menschen. Dann stellten beide die Motoren ab.
    »Wir sind vier«, sagte Karl-Heinz.
    »Ja, ja«, sagte ich. »Komm bitte her.«
    »Wieso das?«
    »Weil ich mit dir reden will und weil ich nicht brüllen möchte. Nein, nein, nicht alle vier, nur der Karl-Heinz.«
    Sie wisperten miteinander, dann kam Karl-Heinz zu mir her.
    »Ich wollte mich nur mit dir unterhalten«, sagte er.
    »Das wolltest du nicht«, erwiderte ich. »Du hast die Katze aufgehängt. Du hast sie umgebracht.«
    »Ja und? Ich hab das nur gemacht, damit du gewarnt bist. Du sollst aufhören, dich mit Watermann zu beschäftigen.«
    »Was du tust, ist Nötigung, Erpressung und Tierschinderei, und was weiß der Teufel noch alles. Hat Opa dir das befohlen?«
    »Opa? Ach so, der. Nein, Opa redet nicht mit uns. Das machen andere. Sie sagen uns immer, auf wen wir ein Auge haben sollen. Aber wir sind privat hier.«
    »Privat? Was willst du?«
    »Nichts. Ich will nur, daß du aufhörst, nachzuforschen. Wir haben schon Schwierigkeiten genug in diesem Staat.«
    »Du bist ein Arsch, mein Freund, du läßt dich einspannen, du hast dir das Denken abgewöhnt.«
    »Red nicht so was. Wir kommen hier raus, wir kommen hier spielend raus. Jederzeit.«
    »Versuch es.«
    Er drehte sich herum. Seine drei Kumpel standen wie angewachsen zusammen.
    »Versuch es«, wiederholte ich. »Versuch es ruhig. Ich will dir nur zeigen, daß du bei mir keine linke Tour drehen kannst. Sag mir schon, wer dich bezahlt.«
    »Mich bezahlt keiner«, sagte er schnell.
    »Wer bezahlt dich?«
    »Keiner, ich mache es ehrenamtlich.«
    »Hör zu, ich verstehe was davon. Du kannst vom Lohn bei der Müllabfuhr nicht mal den Sprit bezahlen. Wie läuft das, wer bezahlt dich?«
    Unschlüssig schabte er mit der Spitze seines rechten Stiefels über einen roten Basaltbrocken.
    Ich verstärkte den Druck. »Hör zu, als ich die Katze gefunden habe, wußte ich sofort, daß du es warst. Ich habe meinen Freunden Bescheid gegeben. Sie stehen vor dir. Wenn die Heuwender laufen, habt ihr keine Chance. Und im Dorf unten warten die Bullen …«
    »Wir haben Waffen«, sagte er.
    »Waffen? Bist du verrückt?«
    »Wieso?« Jetzt war er erstaunt.
    »Du landest im Knast.«
    »Wir haben alle vier Waffen.«
    »Du meinst, du kannst uns wie Karnickel abschießen und abhauen? Bist du so naiv, oder tust du nur so? Du hast niemals eine Waffe, du gibst nur an.«
    Er griff nach hinten in den Hosenbund und hatte die Waffe in der Hand. Sie sah echt aus, wenngleich ich von Waffen nichts verstehe.
    »Wer bezahlt dich?«
    »Ich bin privat.«
    »Zum letztenmal, wie finanzierst du das?«
    »Na ja, wir machen eine Ferientour. Sie geben uns eine kleine Beihilfe. Hundert Mark pro Mann und die Verpflegung und den Sprit. Wir kämpfen für eine gute Sache.«
    »Was ist an der Sache gut, Karl-Heinz? Katzen aufhängen, Leute bedrohen und verprügeln?«
    »Es ist ja nur für die Sache«, sagte er mutlos.
    »Du machst dich kaputt damit«, sagte ich und wandte mich leicht von ihm ab. »Sie nutzen dich aus, sonst nichts. Wenn du in Schwierigkeiten kommst, dann behaupten sie, dich niemals gesehen zu haben, dich nicht zu kennen. Für sie bist du ein Arsch.«
    Dann trat ich zu. Ich traf ihn voll zwischen die Beine, und er ließ die Waffe fallen und schrie grell. Ich nahm die Waffe hoch, und er bückte sich tief nach vorn und schnappte wie verrückt nach Luft.
    Der Lauf der Waffe war zugegossen.
    Alfred und Markus warfen die Trecker an, legten den Rückwärtsgang ein, ließen die Wellen der Heuwender anlaufen und fuhren langsam an.
    »Hört auf!« schrie ich.
    Sie stoppten sofort.
    Karl-Heinz lag flach auf dem Bauch und versuchte mit den Schmerzen fertig zu werden. Sein Gesicht war schneeweiß. »Ich lasse dich laufen«, sagte ich. »Ich will dich schonen. Wenn ich dir noch einmal begegne, lasse ich dich verhaften.« Dann ging ich an seinen drei Kumpanen vorbei und stach mit meinem Schweizer Messer ihren rechten Hinterreifen an. Sie bewegten sich nicht, sie sagten kein Wort. Ich stellte mich hinten auf den Querträger von Alfreds Trecker, und er rumpelte los. Ich hatte das ekelhafte Gefühl, zu den Leuten zu gehören,

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