Reise nach Genf
ihnen auf das Zimmer, mit der Bitte, sie auszufüllen. Dieser Daun sagte: Brauchen wir nicht! Der sagte das so, daß ich sofort wußte: Das sind schwarze Vögel, also Leute, die sich nie irgendwo eintragen. Offiziell gab es die beiden nicht. Es gab sie nur noch im Computer, weil sie etwas zu essen und zu trinken bestellten. Und sie telefonierten alle beide. Das wird ja auch registriert. Am Samstagabend rief mich Lang, also Gerber, zu sich ins ›Richemond‹ und gab mir das Codewort. Ich hatte diese beiden Männer zu löschen, alle Telefonate, die sie geführt hatten, und alles, was sie auf das Zimmer bestellt hatten. Außerdem löschte ich fast alle Bestellungen, die insgesamt im zweiten und dritten Stock von den Zimmern gekommen waren. Dazu jede Menge Telefonate. Plötzlich dachte ich: Du lieber Gott, dieser Watermann weiß genug, um die Bundesregierung und die eigene Landesregierung auffliegen zu lassen. Ich wußte es einfach: Es ging um Watermann! Als ich später hörte, er liegt tot in der Badewanne, habe ich mich nicht einmal gewundert.«
»Sie löschten also Eintragungen im Computer. Was passierte dann?«
»So gegen Mitternacht ging ich rüber ins ›Le Richemond‹ und traf Gerber. Wir gingen in den Korridor im ersten Stock. Ich sagte: Es hat alles geklappt! Da gab er mir zehntausend Dollar in bar und dann noch die Papiere auf meinen alten Namen. Ganz neue Papiere. Es war wie im Märchen.«
»Wie ging es weiter?«
»Ich hatte die Dollar und die neuen Papiere. Ich hatte außerdem die echten Computerlisten. Es war eigentlich Zeit, nach Hause zu gehen, aber ich ging nicht. Ich war irgendwie gespannt, wie das jetzt weitergehen würde. Es war mir klar, daß irgend etwas passieren mußte, aber ich hatte keine Ahnung. Also blieb ich. Gegen Mittag wurde dann Watermann in der Badewanne gefunden, das wunderte mich schon gar nicht mehr. Dann begriff ich, daß irgendwann die Polizei auf mich stoßen würde. Ich meldete mich bei einem früheren Kollegen an, der ein kleines Hotel am Genfer Stadtrand hat. Ich fuhr dorthin. Ich war wie besoffen. Ich hockte auf meinem Bett und hörte im Radio ununterbrochen die Nachrichten von diesem komischen toten Watermann. Ich starrte auf diese blöden Computerlisten und dachte, du hockst hier und hast ein Vermögen in der Hand. Wenn die Bullen nicht beweisen können, wer im Hotel war und wer nicht, dann konnten sie lange suchen.«
»Was taten Sie dann?«
»Ich bin zum Padrone gegangen. Ihm war sofort klar, was die Listen wert waren. Der Padrone sagte: Das manage ich für dich! Er hat es gemanagt. Er bekam zwanzig Prozent, und die Sache war gelaufen.«
»Sieh einer an«, sagte ich heiter. »Sie haben sich nie mehr darum gekümmert?«
»Nein, nie mehr. Immer, wenn ich irgendeinen Schmonzes über Watermann las, dachte ich: Wenn ihr wüßtet! Ich habe nie mehr irgend etwas unternommen. Was glauben Sie, was wird jetzt passieren?«
»Das weiß ich nicht genau. Wenn ich Sie recht verstehe, dann hat der Kellner Vergori die Flasche Rotwein gebracht. Samstagabend. Sonst nichts?«
»Vergori hat nur den Rotwein gebracht, sonst nichts. Dann habe ich übernommen. Das war auch so eine Sache, die dieser Gerber von mir wollte. Ich sollte den zweiten und dritten Stock möglichst allein machen. Das war nicht weiter schwer zu erreichen.«
»Haben Sie irgendeine Bestellung aus Watermanns Zimmer bekommen?«
»Ja. Zweimal. Eine Kanne Kaffee mit je zwei Tassen. Einmal vier Flaschen Mineralwasser. Aber das ist nicht alles. Ungefähr gegen dreiundzwanzig Uhr am Samstagabend brachte ich drei Kannen Kaffee auf ein anderes Zimmer. Drei Kannen, drei Tassen. Da hockte Watermann und lachte über irgend etwas. Komisch, ich habe den nur lachen gesehen.«
»Wer waren die beiden anderen?«
»Na ja, die beiden, die es nie gab und deren Namen falsch sind. Dieser Meile aus Stuttgart und dieser Bruno Daun aus München.«
»Als Sie Watermann die Kaffeekannen und das Wasser brachten: Wer war bei ihm?«
»Niemand. Außer Watermann war niemand da. Er erwähnte, er erwarte jemanden. Aber ich weiß nicht, wer es war. Dann noch etwas: Dieser Gerber war in dieser Nacht im ›Beau Rivage‹. Ich weiß es sicher, denn ich hörte seine Stimme. Ungefähr um zwanzig Minuten nach Mitternacht.«
»In welchem Stock?«
»Im dritten«, sagte er.
»Sie haben doch in den Listen gelesen. Welche Bestellung fiel Ihnen auf?«
»Da ist wirklich nichts Auffälliges. Sie müssen wissen, daß im ›Beau Rivage‹ dauernd private
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