Reise nach Genf
Nachtdienst machte, das Frühstück. Dann ging ich heim, schlief ein paar Stunden und trat abends wieder an. Ich wußte also: Dieser Watermann sollte am zehnten, dem Sonnabend, kommen. Ich weiß noch, daß ich richtig neugierig auf den war. Die Zeitungen waren voll davon, das Fernsehen zeigte ihn dauernd. Ich wußte also am Donnerstag, daß Watermann kommen würde. Ich sagte mir: Den guckst du dir mal an! Am Donnerstagabend lief folgendes: Ich war in der Teeküche oben im Dritten. Da kam über interne Hausleitung ein Anruf. Da war ein Mann dran. Er sagte mir, er wüßte, daß ich nicht Paolo Maggia bin, sondern Gaetano. Er sagte, er würde den Mund halten, wenn ich ihm einen Gefallen tue. Er käme am Freitagabend im ›Le Richemond‹ nebenan an und würde mich sprechen wollen. Ich hätte ihm nur einen kleinen Gefallen zu tun und würde dafür gut bezahlt. Na ja, sagte ich, warum nicht?«
»Nannte er seinen Namen?«
»Nein.«
»Gut, wie ging es weiter?«
»So was kommt von Zeit zu Zeit vor. Irgendein Gast bittet dich um irgend etwas. Das ist normal. Aber bei dem roch ich, daß irgend etwas nicht stimmte. Er rief mich Freitagabend etwa gegen zwanzig nach zehn rüber. Er nannte sich Schmitz, einfach Schmitz …«
»War das in einem Zimmer im ›Le Richemond‹?«
»Das war unten im Eingang zum Restaurant.«
»Sein richtiger Name war aber nicht Schmitz?«
»Nein. Es gab keinen Gast namens Schmitz. Wenn mir jemand sagt, er heißt Schmitz, werde ich grundsätzlich mißtrauisch. Also fragte ich einen Kollegen im ›Le Richemond‹, wer dieser Mann sei. Er sagt: Das ist Monsieur Lang. Erst viel später habe ich im Spiegel und im Stern gelesen, daß dieser Agent Gerber sich im ›Richemond‹ Lang nannte. Was er mir sagte, war das: Er wäre im Staatsauftrag unterwegs und habe verschiedene Personen zu überprüfen …«
»Moment, im Auftrag der schweizerischen Regierung?«
»Nein, der deutschen. Deshalb sei er auch auf mich gekommen. Er wußte, daß ich falsche Papiere hatte, er wußte es hundertprozentig. Weil er es wußte, dachte ich automatisch an Mafia. Er wollte, daß ich mit einem Codewort in den Computer des ›Beau Rivage‹ gehe, bestimmte Eintragungen lösche und neue Eintragungen hinzufüge. Er sagte, das dauere zehn Minuten, und es sei nicht gefährlich.«
»Sie sind darauf eingegangen?«
»Nicht sofort. Ich habe ihm gesagt, ich könne mit dem Computer überhaupt nicht umgehen. Ich muß im Zimmerservice nur Dinge reintippen wie in eine Registrierkasse, damit oben die Rechnung ausgedruckt wird. Er sagte, das macht nichts, das ist ein Kinderspiel. Er sagte, ich bekäme anschließend zehntausend Dollar in bar. Ich dachte, mich trifft der Schlag. Es ging mir nicht gut, ich wollte heim zu meinen Eltern. Da habe ich es getan.«
»Hat er Ihnen die Änderungen, die Sie vornehmen sollten, schriftlich gegeben?«
»Nein, das brauchte er gar nicht, es war ja viel einfacher. Er sagte, im Computer wären ein paar Dinge zuviel: Zwei Gäste und fast alle Samstagsbestellungen aus den Zimmern der zweiten und dritten Etage.«
»Wann sollte das ablaufen?«
»In der Nacht von Samstag auf Sonntag, also in der Nacht, in der Watermann umkam.«
»Haben Sie Watermann eigentlich gesehen?«
»Na sicher, dreimal, viermal, fünfmal, ich weiß es nicht.«
»War er allein?«
»Zweimal nicht, zweimal hatte er zwei Männer bei sich. Das waren aber keine Gäste von uns. Er lachte mit ihnen.«
»Bleiben wir beim Computer. Ist es tatsächlich so gelaufen?«
»Ja, es war ganz einfach. Ich sagte Gerber schon am Freitagabend, daß ja nur der Supervisor des Computers an diese Programme herankommt. Aber er sagte, das sei kein Problem, denn zufällig kenne er das Codewort. Ich mußte also nur das Codewort eingeben, dann die Gästeliste abrufen, die entsprechenden Zeilen markieren und löschen. Das war alles.«
»Aber Sie haben viel mehr getan, nicht wahr?«
Er nickte. »Anfangs habe ich das überhaupt nicht mit Watermann in Verbindung gebracht, aber langsam dämmerte es mir. Als ich am Freitagabend Gerber traf, war schon etwas Komisches passiert. Es kamen zwei Gäste, zwei Männer, zwei Deutsche. Später stand im Stern, es sei nur ein Gast gewesen, aber es waren zwei. Sie nannten sich Gert Meile aus Stuttgart und Bruno Daun aus München. Ich weiß das, weil ich sie bediente. Sie kamen und wurden wegen ihrer späten Ankunft nicht mehr in den Computer eingespeist. Ganz logisch nahm ich also zwei Anmeldeformulare und brachte sie
Weitere Kostenlose Bücher