Reise nach Genf
machen?«
»Früher dachte ich das auch, jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Die Leute haben nicht von Politik die Schnauze voll, sondern von Politikern. Sie werden es lesen und sagen: Na, wußte ich doch! Außerdem haben wir noch keinen Mörder.«
»Vielleicht hat Gaetano einen für uns.«
»Vielleicht.«
Gaetano hatte den kleinen Suzuki sehr ordentlich vor dem Haus geparkt und hockte vor einer Bank neben der Eingangstür. Er blickte uns ruhig entgegen. Er lächelte ein wenig unsicher und sagte: »Hallo.« Ich stellte uns vor, und er sagte: »Da hinten an dem Tisch können wir uns setzen. Wollen Sie etwas trinken? Einen Wein, ein Wasser?«
»Einen Wein«, sagte Minna. »Sie haben es aber hübsch hier.«
»Wir sind nur zu Gast«, sagte er. Er war ein schlanker, dunkelhaariger, höflicher Mann. »Die Gläser stellen wir auf das Tablett. Und Sie? Wasser?«
»Wasser«, sagte ich dankend.
Der Tisch stand im Schatten, umgeben von schweren, aus einfachem Holz zusammengefügten Stühlen. Eine Gruppe Kiefern überragte ihn.
»Ich habe mit Lilo gesprochen«, sagte ich zur Eröffnung.
»Glauben Sie bitte nicht, daß wir irgendwie in die Sache verwickelt sind. Wir sind Journalisten, wir haben uns den Fall Watermann vorgenommen. Wir sind nicht käuflich, wir sind aber bereit, jedem Informanten das gesamte Manuskript zum Lesen zu geben, bevor es gedruckt wird.«
»Wie sind Sie auf mich gestoßen?« fragte er ganz sachlich.
»Das war einfach für Baumeister«, schaltete sich Minna ein.
»Wenn man liest, wie sich der Selbstmord abgespielt haben soll, muß man mißtrauisch werden. Baumeister geht davon aus, daß Watermann nicht allein war, als er starb. Ferner hat er eine lebenslange Erfahrung mit Hotels, schließlich ist er beruflich dauernd unterwegs. Also weiß er, daß so ein Hotel ein verdammt reges Innenleben hat. Sehe ich das richtig?«
»Du machst es sehr gut«, grinste ich.
»Baumeister geht davon aus, daß Watermann gezielt nach Genf gelockt wurde. Er wurde natürlich auch in dieses Hotel gelockt. Wer hat eigentlich für ihn gebucht?«
»Das weiß ich nicht genau. Es passierte telefonisch«, sagte er.
»Wann?« fragte ich.
»Zwei Tage vorher. Er kam am Samstag, also wurde am Donnerstag gebucht.«
»Normalerweise«, sagte Minna und zog die Worte etwas, um sich zu konzentrieren, »hat der Gast in einem Hotel sofort Kontakt zu einer ganz bestimmten Gruppe: dem Zimmerservice. Da war offiziell dieser Kellner Vergori …«
»O ja, mein Kollege Vergori. Ein netter Kerl, aber so harmlos wie ein Pfund Puffmais. Ja, ja, Vergori.«
»Vergori«, griff ich ein, »brachte nach eigenen Angaben eine Flasche Rotwein mit zwei Gläsern. Das war seiner Aussage nach der erste und einzige Kontakt, den er mit Watermann hatte.«
»Das stimmt sogar«, sagte er lebhaft. »Das kann so stimmen. Vergori wurde dann in den zweiten Stock gerufen. Da waren zwei Gesellschaften, da mußten wir hart arbeiten. Deshalb schickte ich Vergori in den zweiten Stock zu meiner Kollegin. Ich selbst war im dritten und vierten Stock.«
»Würden Sie uns erzählen, wie die Nacht von Freitag auf Samstag und die Nacht von Samstag auf Sonntag verlief? Was war mit dem Krach, den die beiden Nachtportiers gehört haben? War das Einbildung oder ein Betrunkener?«
»Nein, nein, das war keine Einbildung, das war auch kein Betrunkener. Das war Watermann. Er war schon tot, er wurde getragen. Der, der ihn trug, ließ ihn fallen.«
In den Kiefern über uns wehte der Wind, sonst war nichts zu hören. Dann kam das jähe Gekreische von zwei Eichelhähern, die sich jagten.
»Woher wissen Sie das? Sie waren doch längst in Lilos Wohnung.«
»Das war ich nicht«, sagte er ernsthaft. »Lilo hat angenommen, daß ich wie üblich gegen Mitternacht von dem Nachtkellner abgelöst wurde. Aber sowohl von Freitag auf Samstag wie von Samstag auf Sonntag war ich bis etwa drei Uhr im Hotel …«
»… und zwar mit Absicht, nicht wahr?«
»Genau. Aber wie kann ich wissen, was Sie mit meiner Geschichte machen?«
»Ich weiß, daß der Padrone Sie anrief, daß er sagte, da würden ein paar Pressefritzen nach Oberammergau kommen, daß Sie sich darauf einstellen müssen. Also, haben Sie sich darauf eingestellt?«
»Wenn ich den Mund halte, kommen Sie nicht weiter.«
»Falsch«, sagte ich ruhig. »Sie sollten nicht glauben, daß Sie unser einziger Informant sind.«
»Wen gibt es da denn noch?« fragte er ironisch.
»Es gibt da den Verein ›Preußens Geschichte‹«, sagte
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