Reise nach Ixtlan.
das, was du tust, einen Sinn hat. Ich sagte dir ja schon, ein Krieger braucht nicht zu glauben, denn solange er agiert, ohne zu glauben, handelt es sich um Nicht-tun.« Wir sahen uns kurz an. »Mehr kann ich dir über das Träumen nicht sagen«, fuhr er fort. »Alles, was ich noch zu sagen wüßte, ginge nur ums Nicht-tun. Aber wenn du das Nicht-tun direkt anpackst, dann wirst du selbst wissen, was du beim Träumen tun sollst. Doch im Augenblick kommt es darauf an, daß du deine Hände findest, und ich bin sicher, daß es dir gelingen wird.«
»Ich weiß nicht. Don Juan, ich habe kein Vertrauen zu mir.«
»Es geht nicht darum, daß man zu jemand Vertrauen hat. Das Ganze ist eine Frage des Kampfes, den ein Krieger führt; und du wirst weiter kämpfen, wenn nicht durch deine eigene Kraft, dann vielleicht durch den Einfluß eines würdigen Gegners oder mit Hilfe einiger Verbündeter wie dem, der dir bereits folgt.« Ich machte unwillkürlich eine ruckartige Bewegung mit dem rechten Arm. Don Juan sagte, mein Körper wisse viel mehr, als ich glaubte, denn die Kraft, die uns verfolgt habe, befinde sich zu meiner Rechten. Mit leiser Stimme vertraute er mir an, daß der Verbündete mir an diesem Tag zweimal so nahegekommen war, daß er hatte dazwischentreten müssen, um ihn zurückzuhalten. »Tagsüber sind Schatten die Türen zum Nicht-tun«, sagte er. »Aber da sich im Dunkeln sehr wenig Tun durchsetzt, ist in der Nacht alles ein Schatten, auch die Verbündeten. Das habe ich dir schon erzählt, als ich dich die Gangart der Kraft lehrte.«
Ich mußte laut lachen, und mein eigenes Lachen erschreckte mich. »Alles, was ich dich bisher gelehrt habe, war ein Aspekt des Nicht-tuns«, fuhr er fort. »Ein Krieger wendet das Nicht-tun auf alles in der Welt an, und dennoch kann ich dir nicht mehr darüber sagen, als ich dir heute gesagt habe. Du mußt deinen Körper die Kraft und das Gefühl des Nicht-tuns selbst entdecken lassen.« Wieder hatte ich einen nervösen Lachanfall. »
»Du bist dumm, wenn du die Geheimnisse der Welt verachtest, nur weil du dich auf das Tun der Verachtung verstehst«, sagte er mit ernster Miene. Ich versicherte ihm, daß ich nichts und niemand verachtete, sondern daß ich nervöser und unfähiger sei, als er glaubte. »So war ich immer«, sagte ich. »Und trotzdem möchte ich mich ändern, aber ich weiß nicht wie. Ich bin so unzulänglich.«
»Ich weiß schon, wie wenig du von dir hältst«, sagte er. »Das ist dein Tun. Und um dieses Tun zu beeinflussen, empfehle ich dir, ein anderes Tun zu lernen. Ich möchte, daß du dich von heute an acht Tage lang belügst. Statt dir die Wahrheit zu sagen, daß du so häßlich und miserabel und unzulänglich bist, wirst du dir sagen, daß du das völlige Gegenteil bist, wobei du wissen sollst, daß du lügst und daß du ein ganz hoffnungsloser Fall bist.«
»Aber welchen Sinn hat es, sich so zu belügen, Don Juan?«
»Es könnte dazu führen, daß du von einem anderen Tun abhängig wirst, und dann würdest du erkennen, daß beide Arten des Tuns Lügen sind und unwirklich, und daß es Zeitverschwendung ist, dich an das eine wie an das andere zu hängen, denn das einzige, was wirklich ist, ist das Sein in dir, das sterben wird. Dieses Sein zu erreichen, das ist das Nicht-tun des Selbst.«
16. Der Ring der Kraft
Samstag, 14. April 1962
Don Juan wog unsere Kalebassen in der Hand und stellte fest, daß wir unseren Proviant erschöpft hatten und daß es Zeit war, nach Hause zurückzukehren. Ich bemerkte beiläufig, daß wir mindestens einige Tage brauchen würden, um zu seinem Haus zu gelangen. Er sagte, er wolle nicht nach Sonora zurückfahren, sondern in eine Stadt an der Grenze, wo er ein paar Angelegenheiten zu besorgen hatte. Ich glaubte, wir würden unseren Abstieg durch den Wassercanyon beginnen, aber Don Juan brach nach Nordwesten über die Hochplateaus der Lavaberge auf. Nach etwa einstündigem Marsch führte er mich durch eine tiefe Klamm, die an einem Punkt endete, wo zwei Gipfel beinah zusammenstießen. Dort war ein Hang, der fast bis zum Gipfelgrat hinaufreichte, ein Hang, der wie eine schräge, gewölbte Brücke zwischen den beiden Gipfeln aussah.
Don Juan deutete auf eine Stelle an diesem Hang. »Sieh genau dorthin«, sagte er. »Die Sonne steht beinah richtig.«
Er erklärte, daß das Licht der Mittagssonne mir beim »Nicht-tun« helfen könne. Dann gab er mir eine Reihe von Anweisungen: Ich sollte alle engen Kleidungsstücke, die ich trug, öffnen,
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