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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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du sie anschaust. Es hätte dir nur Schaden zugefügt.«
    Ich hatte keine weiteren Fragen. Ich war auch nicht sehr hungrig. Don Juan griff herzhaft zu und schien in ausgezeichneter Stimmung zu sein. Ich aber war deprimiert. Plötzlich merkte ich, wie eine zehrende Müdigkeit von mir Besitz ergriff. Ich erkannte, daß Don Juans Weg zu mühselig für mich war. Ich sagte, daß ich nicht die Fähigkeit hätte, ein Zauberer zu werden. „Vielleicht wird eine weitere Begegnung mit Mescalito dir helfen«, sagte er.
    Ich beteuerte, das liege mir ganz und gar fern, und ich zöge nicht einmal die Möglichkeit in Betracht.
    »Bei dir müssen sehr tiefgreifende Dinge geschehen, damit du es zuläßt, daß dein Körper aus all dem, was du gelernt hast, Nutzen zieht«, sagte er.
    Ich vertrat die Meinung, ich sei eben wirklich nicht fähig, das ungewöhnliche Leben eines Zauberers zu leben, weil ich kein Indianer war.
    »Wenn ich mich von allen meinen Verpflichtungen losmachte, könnte ich vielleicht in deiner Welt besser bestehen«, sagte ich. »Oder wenn ich mit dir in die Wildnis gehen und dort leben würde. Sowie die Dinge jetzt sind, macht mich die Tatsache, daß ich mit je einem Fuß in beiden Welten stehe, für beide untauglich.« Er sah mich lange an.
    »Dies ist deine Welt«, sagte er und deutete auf die belebte Straße vor dem Fenster. »Du bist ein Mensch dieser Welt. Und dort draußen, in dieser Welt, ist dein Jagdgrund. Wir haben keine Möglichkeit, dem Tun unserer Welt zu entfliehen, und darum macht ein Krieger seine Welt zu seinem Jagdgrund. Als Jäger weiß der Krieger, daß die Welt geschaffen ist, um benutzt zu werden. Darum benutzt er jedes Stück von ihr. Ein Krieger ist wie ein Freibeuter, der keine Skrupel hat, alles, was er will, zu nehmen und zu benutzen, nur daß es dem Krieger nichts ausmacht und er nicht beleidigt ist, wenn er selbst genommen und benutzt wird.«

17. Ein würdiger Gegner
Donnerstag, 11. Dezember 1962
    Meine Fallen waren einwandfrei; die äußeren Umstände stimmten; ich sah Kaninchen, Eichhörnchen und andere Nagetiere, Wachteln und andere Vögel, aber den ganzen Tag über gelang mir auch nicht ein einziger Fang.
    Frühmorgens, als wir Don Juans Haus verließen, hatte er mir gesagt, ich müsse an diesem Tag auf ein »Geschenk der Kraft« warten, ein außergewöhnliches Tier, das vielleicht in eine meiner Fallen gehen würde und dessen Fleisch ich als »KraftSpeise« trocknen könnte.
    Don Juan schien in nachdenklicher Stimmung zu sein. Er machte keinerlei Vorschläge oder Bemerkungen. Gegen Ende des Tages schließlich sagte er: »Irgend jemand behindert deine Jagd.«
»Wer?« fragte ich ganz überrascht. Er sah mich an, lächelte und schüttelte ungläubig den Kopf. »Du tust so, als wüßtest du es nicht«, sagte er. »Dabei weißt du schon den ganzen Tag, wer es ist.«
    Ich wollte widersprechen, aber ich hielt es für zwecklos. Ich wußte, er würde sagen: »la Catalina«, und wenn es das war, was er meinte, dann hatte er recht, dann wußte ich tatsächlich, wer es war. »Entweder gehen wir jetzt nach Hause«, fuhr er fort, »oder wir warten, bis es dunkel wird, und nutzen die Dämmerung, um sie zu fangen.« Er schien auf meine Entscheidung zu warten. Ich war für Aufbruch. Ich fing an, ein dünnes Seil aufzurollen, das ich verwendet hatte, aber noch ehe ich meinen Wunsch vorbringen konnte, gebot er mir durch einen Befehl Einhalt.
    »Setz dich«, sagte er. »Es wäre einfacher und vernünftiger, jetzt aufzubrechen, aber in diesem besonderen Fall glaube ich, daß wir bleiben müssen. Dieses Spiel gilt dir.«
»Was meinst du damit?«
    »Jemand behindert dich eindeutig, und ausschließlich dich, und daher gilt dieses Spiel dir. Ich weiß, wer es ist, und du weißt es ebenfalls.«
»Du machst mir Angst«, sagte ich.
    »Nicht ich«, antwortete er lachend. »Diese Frau, die dort draußen herumschleicht, die macht dir Angst.«
    Er machte eine Pause, als wartete er darauf, daß die Wirkung seiner Worte sich bei mir einstellte. Ich mußte zugeben, daß ich mich tatsächlich sehr ängstigte. Gut einen Monat zuvor hatte ich eine grauenvolle Begegnung mit einer Zauberin namens »la Catalina« gehabt. Ich war ihr unter Lebensgefahr entgegengetreten, weil Don Juan mich davon überzeugt hatte, daß sie nach seinem Leben trachtete und daß er unfähig war, ihre Angriffe abzuwehren. Nachdem meine Begegnung mit ihr stattgefunden hatte, eröffnete mir Don Juan, daß sie ihm in Wirklichkeit nie gefährlich

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