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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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gewesen und daß die ganze Angelegenheit einfach ein Trick von ihm gewesen sei, jedoch nicht im Sinn eines boshaften Streichs, sondern um mir eine Lehre zu erteilen.
    Sein Vorgehen erschien mir so unmoralisch, daß ich auf ihn wütend geworden war. Auf meinen Zornausbruch hin hatte Don Juan begonnen, mexikanische Lieder zu singen. Er imitierte populäre Schlagersänger und seine Wiedergabe war so komisch, daß ich schließlich wie ein Kind kicherte. So unterhielt er mich einige Stunden lang. Ich hatte gar nicht gewußt, daß er über ein solches Repertoire alberner Songs verfügte.
    »Ich will dir etwas sagen«, hatte er damals abschließend gesagt »wenn wir nicht überlistet würden, dann würden wir nie lernen. Das ist mir so ergangen, und jedem anderen wird es genau so ergehen. Die Kunst eines Wohltäters besteht darin, uns bis an die Schwelle zu führen. Ein Wohltäter kann uns nur den Weg zeigen und uns überlisten. Ich habe dich schon einmal überlistet. Du erinnerst dich doch daran, wie ich deinen Jägergeist wieder erweckte, nicht wahr? Du sagtest mir, daß die Jagd dich dazu gebracht habe, dein Interesse für Pflanzen zu vergessen. Du warst bereit, eine Menge zu tun, um ein Jäger zu werden - Dinge, die du nie getan hattest, um etwas über Pflanzen zu lernen. Jetzt mußt du noch viel mehr tun, um zu überleben.« Er starrte mich an und bekam einen Lachanfall.
    Das ist völlig verrückt«, sagte ich. »Wir sind rationale Wesen.«
»Du bist rational«, entgegnete er. »Ich nicht.«
»Natürlich bist du es«, beharrte ich. »Du bist einer der rationalsten Menschen, denen ich je begegnet bin.«
»Na gut.« rief er. »Laß uns nicht streiten. Ich bin also rational. Na und?« Ich verwickelte ihn in ein Streitgespräch darüber, ob es für zwei rationale Wesen notwendig sei, sich so verrückt zu verhalten, wie wir es mit dieser Hexe getan hatten. »Du bist rational, na schön«, sagte er aufgebracht. »Und das bedeutet, daß du glaubst, du wüßtest eine Menge über die Welt. Aber tust du das wirklich? Du kennst nur die Handlungen von Menschen. Deine Erfahrungen sind auf das beschränkt, was Menschen dir und anderen angetan haben. Du weißt nichts über diese geheimnisvolle, unbekannte Welt.«
    Er gab mir ein Zeichen, ihm zum Auto zu folgen, und wir fuhren in eine nahegelegene kleine mexikanische Stadt. Ich fragte ihn nicht, was er vorhatte. Er hieß mich den Wagen neben dem Lokal parken, dann gingen wir um die Busstation und die Gemischtwarenhandlung herum. Don Juan ging an meiner rechten Seite und führte mich. Plötzlich gewahrte ich, daß jemand an meiner linken Seite ging, aber bevor ich Zeit hatte, mich umzuwenden und ihn anzusehen, machte Don Juan eine schnelle, plötzliche Bewegung. Er beugte sich vor, als wollte er etwas vom Boden aufheben, dann packte er mich, nachdem ich fast über ihn gestolpert wäre, unter der Achsel. Er schleifte mich zum Auto und ließ meinen Arm nicht einmal los, um mir das Aufschließen der Tür zu ermöglichen. Ich fummelte einen Augenblick ungeschickt mit den Schlüsseln. Er schob mich sanft ins Auto und stieg selbst ein. »Fahr langsam und halte vor dem Geschäft«, sagte er. Als wir anhielten, gab Don Juan mir mit einem Kopfnicken zu verstehen, ich solle schauen. An der Stelle, wo Don Juan mich gepackt hatte, stand la Catalina. Ich fuhr unwillkürlich zurück. Die Frau tat ein paar Schritte auf das Auto zu und blieb herausfordernd dort stehen. Ich musterte sie aufmerksam und stellte fest, daß sie eine schöne Frau war. Sie war sehr dunkel, hatte einen etwas gedrungenen Körper, schien aber stark und muskulös zu sein. Sie hatte ein rundes, volles Gesicht mit hohen Wangenknochen und zwei lange, jettschwarze Zöpfe. Was mich am meisten überraschte, war ihr Alter. Sie war höchstens Anfang dreißig.
    »Laß sie näher herankommen, wenn sie will«, flüsterte Don Juan. Sie kam drei oder vier Schritte näher an das Auto heran und blieb in etwa fünf Metern Entfernung stehen. Wir sahen einander an. In diesem Augenblick glaubte ich nichts Bedrohliches an ihr zu bemerken. Ich lächelte und winkte ihr zu. Sie kicherte wie ein scheues, kleines Mädchen und bedeckte ihren Mund mit der Hand. Irgendwie war ich ganz entzückt. Ich wandte mich zu Don Juan und wollte etwas über ihre Erscheinung und ihr Verhalten sagen, doch er erschreckte mich mit einem durchdringenden Schrei halb zu Tode.
    »Wende dieser Frau nicht den Rücken zu, verdammt noch mal!« sagte er eindringlich.
    Schnell

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