Reise nach Ixtlan.
jagen«, sagte er. »Ich selbst bin auch ein Jäger.«
»Meinst du damit, daß du für den Lebensunterhalt auf die Jagd gehst?«
»Ich jage, um zu leben. Ich kann vom Land leben, überall.« Er wies mit der Hand über die ganze Gegend.
»Ein Jäger zu sein, bedeutet, daß man viel weiß«, fuhr er fort. »Es bedeutet, daß man die Welt auf andere Art sehen kann. Um ein Jäger zu sein, muß man in völligem Gleichgewicht mit allem anderen sein, sonst wird das Jagen zu einer sinnlosen Pflicht. Zum Beispiel erlegten wir heute eine kleine Schlange. Ich mußte sie um Verzeihung bitten, weil ich ihr Leben so plötzlich und endgültig beendete; was ich tat, tat ich im Wissen, daß auch mein eigenes Leben eines Tages auf ganz ähnliche Weise, plötzlich und endgültig, beendet werden wird. Wir und die Schlangen sind also, alles in allem, gleich. Eine von ihnen hat uns heute ernährt.«
»Ich habe nie an ein solches Gleichgewicht gedacht, als ich auf die Jagd ging«, sagte ich. »Das ist nicht wahr. Du hast nicht einfach die Tiere getötet. Du und deine Familie, ihr habt das Wild gegessen.« Er äußerte dies mit der Überzeugung eines Menschen, der dabei gewesen war. Er hatte natürlich recht. Es hatte Zeiten gegeben, in denen ich meiner Familie zu den Mahlzeiten das Wildfleisch lieferte.
Nach einigem Zögern fragte ich: »Woher wußtest du das?«
»Es gibt gewisse Dinge, die ich einfach weiß«, sagte er. »Allerdings .kann ich dir nicht sagen, wieso.« Ich sagte ihm, daß meine Tanten und Onkel sämtliche Vögel, die ich erlegte, allen Ernstes als Fasanen bezeichneten. Don Juan sagte, er könne sich gut vorstellen, wie sie einen Spatzen einen »winzigen Fasan« nannten, und ahmte dann sehr komisch nach, wie er sich vorstellte, daß sie ihn kauten. Seine wunderlichen Kieferbewegungen erweckten den Eindruck, als kaute er tatsächlich einen ganzen Vogel, mit Knochen und allem Drum und Dran.
»Ich glaube wirklich, daß du eine Ader für die Jagd hast«, sagte er und starrte mich an. »Und wir haben die ganze Zeit den falschen Baum angebellt. Vielleicht wirst du bereit sein, deine Lebensweise zu ändern, um ein Jäger zu werden.« Er erinnerte mich daran, daß ich, unter nur geringer Anstrengung, herausgefunden hatte, daß es auf der Welt gute und schlechte Stellen für mich gibt; auch die spezifischen, ihnen zugehörigen Farben hätte ich festgestellt, fügte er hinzu. »Das bedeutet, daß du eine Begabung für die Jagd hast«, erklärte er. »Nicht jeder, der es versucht, würde die Plätze und die Farben zugleich finden.«
Ein Jäger sein, das klang sehr schön und romantisch, erschien mir aber absurd, da ich für die Jagd nicht besonders viel übrig hatte. »Du brauchst nichts für die Jagd übrig zu haben oder sie zu mögen«, antwortete er auf meinen Einwand. »Du hast eine natürliche Veranlagung dafür. Ich glaube, die besten Jäger gehen nie gern auf die Jagd. Sie haben einfach eine Begabung dafür und machen ihre Sache gut, das ist alles.«
Ich hatte den Eindruck, Don Juan könne mit Worten alles beweisen, und doch behauptete er, daß er nicht gern rede. »Es ist dasselbe, was ich dir über die Jäger erzählte«, sagte er. »Es ist nicht nötig, daß ich gern rede. Ich habe einfach eine Begabung dafür und kann es gut. Das ist alles.« Ich fand seine geistige Gewandtheit wahrhaft erstaunlich. »Jäger müssen außerordentlich feste Menschen sein«, fuhr er fort. »Ein Jäger überläßt sehr wenig dem Zufall. Die ganze Zeit versuche ich, dich zu überzeugen, daß du lernen mußt, anders zu leben. Bislang hatte ich keinen Erfolg. Es gab nichts, woran du dich hättest festhalten können. Das ist jetzt anders. Ich habe deinen alten Jägergeist zurückgeholt, vielleicht wirst du dich durch ihn ändern.« Ich wandte ein, daß ich kein Jäger werden wolle. Von Anfang an, erinnerte ich ihn, hätte ich von ihm nur etwas über medizinische Pflanzen erfahren wollen, aber er habe mich so weit von meiner ursprünglichen Absicht abgebracht, daß ich mich nicht mehr eindeutig besinnen könne, ob ich wirklich etwas über Pflanzen hatte lernen wollen oder nicht.
»Gut«, sagte er, »wirklich gut. Wenn du kein so klares Bild von dem hast, was du willst, dann wirst du vielleicht bescheidener. Sagen wir es folgendermaßen: Für deinen Zweck ist es nicht entscheidend, ob du nun etwas über Pflanzen oder über das Jagen lernst. Das hast du selbst gesagt. Du interessierst dich für alles, was andere dir sagen können, nicht
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