Reise nach Ixtlan.
junger Mann gerannt. Seine Füße schnellten über den weichen, rötlichen Wüstensand, als wolle er sich über mich hinweg katapultieren. Gerade hatte ich ihn noch lachen gesehen, und in der nächsten Sekunde hatte er mich am Arm davongezerrt.
Nach einiger Zeit forderte er mich auf, weiter nach einem geeigneten Rastplatz zu suchen. Wir gingen weiter, aber ich entdeckte oder »fühlte« überhaupt nichts. Wäre ich entspannter gewesen, hätte ich vielleicht etwas bemerkt oder gefühlt. Immerhin, mein Ärger über ihn hatte sich gelegt. Schließlich deutete er auf einige Felsen, und wir blieben stehen.
»Sei nicht enttäuscht«, sagte Don Juan, »es dauert lange, die Augen richtig zu trainieren.« Ich sagte nichts. Es lag mir fern, enttäuscht zu sein über etwas, das ich überhaupt nicht verstand. Trotzdem mußte ich zugeben, daß ich, seit ich begonnen hatte, Don Juan zu besuchen, dreimal sehr wütend und so erregt geworden war, daß ich mich beinah hatte übergeben müssen, während ich an Stellen saß, die er als böse bezeichnete.
»Der Trick besteht darin, mit den Augen zu fühlen«, sagte er. »Dein Problem ist, daß du nicht weißt, was du fühlen sollst. Mit etwas Übung wirst du es aber schon merken.«
»Vielleicht solltest du mir sagen, Don Juan, was ich fühlen soll.«
»Das ist unmöglich.«
»Warum?«
»Niemand kann dir sagen, was du fühlen sollst. Es ist weder Hitze noch Licht noch Glanz noch Farbe. Es ist etwas anderes.«
»Kannst du es nicht beschreiben?«
»Nein. Alles, was ich tun kann, ist, dir die Technik zu vermitteln. Sobald du lernst, die Bilder voneinander zu trennen und alles doppelt zu sehen, mußt du deine Aufmerksamkeit auf die Fläche zwischen den beiden Bildern richten. Jede Veränderung, die es lohnt, bemerkt zu werden, wird dort, an dieser Stelle stattfinden.«
»Was für Veränderungen sind das?«
»Darauf kommt es nicht an. Das Gefühl, das du spürst, ist das einzige, was zählt. Alle Menschen sind verschieden. Du hast heute ein Funkeln gesehen, aber das hatte nichts zu bedeuten, denn das Gefühl fehlte. Ich kann dich nicht lehren zu fühlen. Das mußt du selbst lernen.«
Wir rasteten einige Zeit schweigend. Don Juan bedeckte sein Gesicht mit dem Hut und verharrte reglos, als schliefe er. Ich versenkte mich in meine Aufzeichnungen, bis er eine plötzliche Bewegung machte, die mich aufschreckte. Er setzte sich unvermittelt auf und sah mich stirnrunzelnd an.
»Du hast Geschick für die Jagd«, sagte er, »und das ist es, was du lernen solltest -das Jagen. Wir werden nicht mehr über Pflanzen sprechen.«
Er blies kurz seine Backen auf, fügte dann freimütig hinzu: »Ich glaube nicht, daß wir das schon jemals gemacht haben, nicht wahr?« und lachte.
Den Rest des Tages verbrachten wir damit, in alle möglichen Richtungen zu wandern, und dabei gab er mir unglaublich detaillierte Erklärungen über Klapperschlangen: über ihre Schlupfwinkel, ihre Fortbewegung, ihre jahreszeitlichen Gewohnheiten und die Eigentümlichkeiten ihres Verhaltens. Dann bekräftigte er noch einmal jede seiner Feststellungen, und schließlich fing er eine große Schlange und tötete sie. Er schnitt ihr den Kopf ab, nahm Sie aus, häutete sie und röstete das Fleisch. Seine Bewegungen waren so geschickt und anmutig, daß es das reinste Vergnügen war, ihm zuzuschauen. Fasziniert hatte ich ihm zugehört und ihn beobachtet. Meine Aufmerksamkeit war so völlig in Anspruch genommen, daß die übrige Welt für mich praktisch versunken war. Die Schlange zu essen, war ein harter Wiedereintritt in die normale Wirklichkeit. Als ich einen Bissen Schlangenfleisch in den Mund nahm, wurde mir übel. Es war eine unbegründete Empfindlichkeit, denn das Fleisch war köstlich, doch mein Magen schien eine recht eigenständige Existenz zu führen. Ich konnte kaum schlucken. Ich glaubte, Don Juan würde einen Herzschlag bekommen, so sehr lachte er.
Danach setzten wir uns zu einer gemütlichen Rast in den Schatten einiger Felsen. Ich begann, an meinen Aufzeichnungen zu arbeiten, und ihr Umfang ließ mich erkennen, daß mir Don Juan erstaunlich viele Informationen über Klapperschlangen gegeben hatte.
»Dein Jägergeist ist zu dir zurückgekehrt«, sagte Don Juan auf einmal mit ernster Miene. »Jetzt hängst du fest.«
»Wie bitte?«
Ich wollte von ihm Genaueres über die Äußerung erfahren, daß ich „festhing", aber er lachte nur und wiederholte sie. »Wie hänge ich fest?« beharrte ich.
»Jäger werden immer
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