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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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mit Fragen. Er antwortete nicht und gab mir durch eine ungeduldige Handbewegung zu verstehen, daß ich schweigen solle. Er schien ernster Stimmung zu sein.
    »Ich dachte gerade daran, daß du dich, seit du versuchst, etwas über Pflanzen zu  lernen, auch nicht ein bißchen geändert hast«, sagte er vorwurfsvoll.
    Mit lauter Stimme begann er alle die Persönlichkeitsveränderungen aufzuzählen, die vorzunehmen er mir empfohlen hatte. Ich sagte, ich hätte mir die Sache sehr ernst überlegt und sei zu dem Schluß gekommen, daß ich seine Ratschläge unmöglich beherzigen könne, weil ein jeder mir im Innersten zuwiderliefe. Er antwortete, es genüge nicht, nur über sie nachzudenken, und alles, was er mir gesagt habe, sei nicht zum Spaß gesagt. Ich setzte dem erneut entgegen, daß ich wirklich etwas über Pflanzen lernen wolle, auch wenn ich wenig getan hatte, um mein persönliches Leben seinen Vorstellungen entsprechend auszurichten. Nach langem, ungemütlichem Schweigen fragte ich ihn frei heraus: »Möchtest du mich etwas über Peyote lehren?« Er sagte, meine Absicht allein reiche nicht aus, und das Wissen um Peyote - er nannte es zum erstenmal Mescalito - sei eine ernste Sache. Anscheinend gab es nichts weiter darüber zu sagen. Am frühen Abend jedoch unterwarf er mich einer Prüfung; er stellte mir eine Aufgabe, ohne mir irgendwelche Hinweise für die Lösung zu geben. Ich sollte eine wohltätige Stelle oder einen wohltätigen Platz auf der Fläche direkt vor seiner Tür finden, wo wir für gewöhnlich saßen und miteinander sprachen - eine Stelle, an der ich mich angeblich vollkommen glücklich und gestärkt fühlen würde. Im Laufe der Nacht, während ich diese »Stelle« zu finden suchte, und zwar, indem ich mich über den Boden rollte, entdeckte ich auf der angegebenen Fläche zweimal eine Farbveränderung des sonst einheitlich dunklen Sandbodens.
    Die Aufgabe hatte mich erschöpft, und ich schlief an einer der Stellen ein, an denen ich die Farbveränderungen festgestellt hatte.
    Morgens weckte mich Don Juan und verkündete, daß ich sehr erfolgreich gewesen sei. Nicht nur hätte ich die gesuchte wohltätige Stelle gefunden, sondern auch ihr Gegenstück, eine feindliche oder negative Stelle sowie die mit beiden verbundenen Farben.
Samstag, den 24. Juni 1961
    Frühmorgens machten wir uns in den Wüsten-Chaparral auf. Im Gehen erklärte mir Don Juan, daß das Auffinden von wohltätigen und feindseligen Stellen für einen Mann in der Wildnis wichtig und notwendig sei. Ich wollte die Unterhaltung auf das Thema Peyote lenken, aber er weigerte sich rundheraus, darüber zu sprechen. Er warnte mich, das Thema zu erwähnen, ehe er nicht selbst darauf zu sprechen käme. Wir setzten uns, um im Schatten einiger hoher Büsche in einem Gebiet mit dichter Vegetation Rast zu machen. Der Chaparral um uns her war noch nicht ganz trocken; es war ein warmer Tag und die Fliegen belästigten mich unaufhörlich, doch Don Juan ließen sie anscheinend in Ruhe. Ich fragte mich, ob er sie einfach ignorierte, aber dann stellte ich fest, daß sie gar nicht erst auf seinem Gesicht landeten. »Manchmal ist es wichtig, schnell eine wohltätige Stelle im Freien zu finden«, fuhr Don Juan fort. »Oder es mag wichtig sein, schnell festzustellen, ob der Platz, an dem man sich ausruhen will, schlecht ist oder nicht. Einmal setzten wir uns neben einen Hügel zur Rast, und du wurdest sehr böse und verstimmt. Diese Stelle war dein Feind. Eine kleine Krähe warnte dich, erinnerst du dich?« Ich erinnerte mich, daß er sich damals bemüht hatte, mir zu erklären, ich solle diese Gegend in Zukunft meiden. Auch erinnerte ich mich, daß ich wütend geworden war, weil er mir nicht erlaubte, zu lachen.
    »Ich glaubte, die Krähe, die über uns hinwegflog, sei nur für mich ein Omen«, sagte er. »Ich hätte nie geglaubt, daß die Krähen auch zu dir freundlich sind.«
»Wovon sprichst du?«
    »Die Krähe war ein Omen«, fuhr er fort. »Wenn du etwas von Krähen verstehen würdest, dann hättest du diesen Ort wie die Pest gemieden. Es ist nicht immer eine Krähe zur Stelle, um einen zu warnen, und du mußt lernen, selbst den richtigen Ort zum Lagern oder Rasten zu finden.«
    Nach langer Pause wandte Don Juan sich plötzlich zu mir um und sagte, um die richtige Stelle zum Rasten zu finden, brauchte ich nur mit den Augen zu schielen. Er warf mir einen wissenden Blick zu und sagte in vertraulichem Ton, genau dies sei es, was ich getan hätte, als ich auf

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