Reise nach Ixtlan.
Krieger wird, aus dir einen Krieger machen.«
Ich empfand Frustration, ein körperliches Unbehagen, das an Schmerz grenzte. Ich klagte über meine lebhaften Träume und Alpträume. Er schien einen Augenblick nachzudenken und setzte sich wieder.
»Es sind unheimliche Träume«, sagte ich. »Du hattest immer unheimliche Träume«, entgegnete er. »Ich sage dir, diesmal sind sie wirklich unheimlicher als je zuvor.«
»Mach dir keine Sorgen, es sind nur Träume. Wie die Träume jedes normalen Träumenden haben sie keine Kraft. Was soll es also, sich unnötig darum zu sorgen oder über sie zu sprechen?«
»Sie beunruhigen mich, Don Juan. Kann ich denn nichts tun, damit sie aufhören?«
»Nichts. Laß sie vorübergehen«, sagte er. »Jetzt ist es Zeit, daß du für die Kraft erreichbar wirst, und du wirst damit beginnen, dich mit den Träumen zu befassen.« Der Tonfall, mit dem er das Wort „Träumen" aussprach, brachte mich auf den Gedanken, daß er eine besondere Bedeutung damit verband. Ich überlegte, was ich ihn fragen sollte, als er wieder zu sprechen anfing.
»Ich habe dir nie etwas über das Träumen gesagt, denn bis heute ging es mir nur darum, dich zu lehren, ein Jäger zu sein«, sagte er. »Ein Jäger kümmert sich nicht um die Manipulation der Kraft. Daher sind seine Träume nur Träume. Sie mögen ihn quälen, aber sie sind nicht das Träumen.
Ein Krieger hingegen sucht Kraft, und einer der Wege zur Kraft ist das Träumen. Man könnte sagen, der Unterschied zwischen einem Jäger und einem Krieger besteht darin, daß ein Krieger auf dem Weg zur Kraft ist, während ein Jäger davon nichts oder nur wenig weiß.
Die Entscheidung, wer ein Krieger sein kann und wer nur ein Jäger sein kann, ist nicht uns überlassen. Diese Entscheidung liegt im Reich der Kräfte, die uns Menschen leiten. Deshalb war dein Spielen mit Mescalito ein so wichtiges Omen. Jene Kräfte führten dich zu mir. Sie führten dich zu jener Busstation; irgendein Hanswurst brachte dich zu mir. Ein großartiges Omen, ein Hanswurst, der dich mir bezeichnete. Daher lehrte ich dich, ein Jäger zu sein. Und dann dieses andere eindeutige Omen, als Mescalito selbst mit dir spielte. Siehst du, was ich meine?« Seine sonderbare Logik war überwältigend. Seine Worte riefen in mir Bilder meiner Selbst hervor, in denen ich etwas Furchtbarem unterlag, etwas, mit dem ich nicht gerechnet und von dem ich nicht einmal in den wildesten Phantasien angenommen hatte, daß es existierte.
»Was meinst du, sollte ich tun?« fragte ich. »Mach dich für die Kraft erreichbar; befaß sich mit deinen Träumen,« antwortete er. »Du nennst sie Träume, weil du keine Kraft besitzt. Ein Krieger, ein Mann, der die Kraft sucht, nennt sie nicht Träume, er nennt sie Wirklichkeit.«
»Du meinst, er hält seine Träume für die Realität?«
»Er hält nichts für etwas anderes, als es ist. Was du Träume nennst, ist für einen Krieger Realität. Du mußt begreifen, daß ein Krieger kein Tor ist. Ein Krieger ist ein untadeliger Jäger, der die Kraft jagt; er ist nicht besoffen oder verrückt, und er hat weder Zeit noch ist er bereit, etwas vorzutäuschen, sich etwas vorzumachen oder einen falschen Schritt zu tun. Dafür steht für ihn zuviel auf dem Spiel. Was für ihn auf dem Spiel steht, ist sein ausgerichtetes, geordnetes Leben, das zu festigen und zu vervollkommnen er so lange brauchte. Er wird dies nicht durch eine dumme Verwechslung aufs Spiel setzen, indem er etwas für etwas anderes hält, als es ist.
Das Träumen ist für einen Krieger wirklich, denn er kann darin gezielt handeln, er kann das eine wählen und das andere verwerfen, er kann aus einer Vielzahl von Dingen diejenigen auswählen, die zu Kraft führen, und er kann sie manipulieren und benutzen, während er in einem normalen Traum nicht gezielt handeln kann.«
»Dann glaubst du also, Don Juan, daß das Träumen real ist?« «Natürlich ist es real.« So real wie das, was wir jetzt tun?«
»Wenn du Vergleiche anstellen willst, dann kann ich sagen, dass es vielleicht noch realer ist. Beim Träumen hast du Kraft, du kannst Dinge verändern; du kannst zahllose verborgene Tatsachen finden; du kannst beherrschen, was immer du willst.« Die Prämissen von Don Juans Denken hatten mich auf einer gewissen Ebene stets angezogen. Ich konnte ohne weiteres verstehen, warum ihm die Idee gefiel, daß man in Träumen alles tun könne, aber ich konnte ihn darin nicht ernst nehmen. Es war ein zu großer Sprung.
Wir
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