Reise nach Ixtlan.
stand er auf. Verblüfft starrte ich ihn an. Er war mit einer einzigen Bewegung aufgestanden. Sein Körper schnellte einfach hoch, und er stand aufrecht.
Ich wunderte mich immer noch über die ungewöhnliche Gewandtheit, derer es bedarf, um sich so schnell zu bewegen, als er mir in knappem Befehlston sagte, ich solle ein Kaninchen anpirschen, es fangen, töten, abhäuten und das Fleisch rösten, bevor die Dämmerung hereinbräche.
Er blickte zum Himmel auf und meinte, ich hätte wohl genügend Zeit. Automatisch machte ich mich an die Arbeit, wobei ich so vorging, wie ich es dutzendemale getan hatte. Don Juan ging neben mir und verfolgte meine Bewegungen mit prüfendem Blick. Ich war ganz ruhig und bewegte mich vorsichtig, und es fiel mir überhaupt nicht schwer, ein männliches Kaninchen zu fangen. »Töte es jetzt«, sagte Don Juan knapp. Ich griff in die Falle, um das Kaninchen zu packen. Ich faßte es an den Ohren und zog es heraus, als mich ein plötzlicher Schreck befiel. Zum erstenmal, seit Don Juan mich die Jagd lehrte, kam es mir in den Sinn, daß er mir nie gezeigt hatte, wie man ein gefangenes Tier tötet. Die vielen Male, die wir in der Wüste umhergestreift waren, hatte er selbst nur ein Kaninchen, zwei Wachteln und eine Klapperschlange getötet. Ich ließ das Kaninchen los und sah Don Juan an. »Ich kann es nicht töten.«
»Warum nicht?«
»Ich habe es noch nie getan.«
»Aber du hast Hunderte von Vögeln und andere Tiere getötet.«
»Mit deinem Gewehr, nicht mit den bloßen Händen.«
»Wo ist da der Unterschied? Die Zeit dieses Kaninchens ist abgelaufen.«
Die Art, wie Don Juan dies sagte, erschreckte mich. Es war so endgültig, so wissend, es ließ mir keinen Zweifel, daß er wußte, die Zeit dieses Kaninchens war abgelaufen. »Töte es«, befahl er mit einem wilden Ausdruck in den Augen. »Ich kann es nicht.« Er schrie mich an, das Kaninchen müsse sterben. Er sagte, seine Streifzüge durch diese schöne Wüste seien nun zu Ende. Ich hätte keinen Grund zu zögern, denn die Kraft oder der Geist, der die Kaninchen leite, habe genau dieses, genau bei Anbruch der Dämmerung, in meine Falle geleitet.
Eine Folge verwirrender Gedanken und Gefühle ergriff von mir Besitz, als hätten diese Gefühle dort draußen auf mich gewartet. Mit tödlicher Klarheit begriff ich die Tragödie des Kaninchens - es war in meine Falle geraten. Binnen Sekunden gingen mir die wichtigsten Augenblicke meines Lebens durch den Sinn, die vielen Male, die ich selbst das Kaninchen gewesen war. Ich sah es an, und es sah mich an. Das Kaninchen drängte sich gegen die Käfigwand; es war beinahe zusammengerollt, ganz ruhig und reglos. Wir tauschten einen traurigen Blick aus, und dieser Blick, wie ich mir einbildete ein Blick voll stiller Verzweiflung, zementierte bei mir eine vollkommene Identifikation mit dem Kaninchen.
»Zum Teufel«, sagte ich laut. »Ich werde nichts und niemand töten. Das Kaninchen wird freigelassen.«
Ein unergründliches Gefühl ließ mich erbeben. Meine Arme zitterten, als ich das Kaninchen bei den Ohren zu packen suchte; es raste flink umher, und ich verfehlte es. Ich versuchte es noch einmal, und wieder griff ich daneben. Ich verzweifelte. Mich überkam ein Ekelgefühl, und ich gab der Falle einen heftigen Tritt, um sie zu zerstören und das Kaninchen freizulassen. Der Käfig war unerhört stabil und zerbrach entgegen meiner Erwartung nicht. Meinte Verzweiflung wurde zur unerträglichen Qual. Unter Aufbietung aller Kraft trat ich mit dem rechten Fuß gegen den Käfig. Mit lautem Krach zerbrachen die Stäbe. Ich zog das Kaninchen heraus. Einen Augenblick spürte ich Erleichterung, die sich schon In der nächsten Sekunde zerschlug. Das Kaninchen hing schlaff in meiner Hand. Es war tot. Ich wußte nicht, was ich tun sollte. Meine Gedanken kreisten ausschließlich um die Frage, wie es wohl gestorben war. Ich wandte mich nach Don Juan um. Er starrte mich an. Das Entsetzen jagte ein Frösteln über meinen ganzen Körper. Ich setzte mich gegen einige Felsbrocken. Ich hatte starke Kopfschmerzen. Don Juan legte mir die Hand auf den Kopf und flüsterte mir ins Ohr, ich müsse das Kaninchen abhäuten und rösten, bevor die Dämmerung vorüber sei.
Ich ekelte mich. Er sprach sehr geduldig auf mich ein, als sei ich ein Kind. Er sagte, die Kräfte, die Mensch und Tier leiten, hätten gerade dieses Kaninchen zu mir geführt, genau wie sie mich eines Tages zu meinem Tod führen würden. Der Tod des Kaninchens,
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