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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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dich an die jeweilige Örtlichkeit zu begeben. Und dann, wenn du diese Technik beherrschst, mußt du lernen, exakt die Zeit deiner Reise zu kontrollieren.« Während ich all dies aufschrieb, hatte ich das Gefühl, ich sei wirklich verrückt. Da schrieb ich hier irrsinnige Anweisungen nieder, die, um befolgt zu werden, meine völlige Selbstaufgabe verlangten. Ich hatte eine Anwandlung von Reue und Bestürzung. »Was machst du mit mir, Don Juan?« fragte ich, ohne es wörtlich zu meinen.
    Er schien überrascht. Einen Moment schaute er mich an, dann lächelte er. »Diese Frage stellst du mir immer wieder. Ich mache überhaupt nichts mit dir. Du machst dich für die Kraft erreichbar; du bist auf der Jagd nach ihr, und ich führe dich.«
    Er neigte den Kopf zur Seite und sah mich prüfend an. Mit der einen Hand hielt er mich am Kinn und mit der anderen am Hinterkopf und bewegte meinen Kopf vor und zurück. Meine Halsmuskeln waren sehr angespannt, und das Bewegen des Kopfes verringerte die Spannung.
    Don Juan schaute kurz zum Himmel hinauf und schien dort etwas zu suchen. »Es ist Zeit, aufzubrechen«, sagte er knapp und stand auf. Wir gingen nach Osten, bis wir in einem von zwei hohen Bergen eingefaßten Tal auf eine Gruppe kleiner Bäume trafen. Es war nun fast fünf Uhr Nachmittag. Er sagte beiläufig, daß wir vielleicht an dieser Stelle die Nacht verbringen müßten. Er wies auf die Bäume und sagte, es gebe hier Wasser.
    Er spannte seinen Körper an und schnupperte wie ein Tier in der Luft. Ich sah, wie seine Bauchmuskeln sich in kurzen Wellen zusammenzogen, als er in rascher Folge die Luft einatmete und ausstieß. Er forderte mich auf, es ihm gleichzutun und selbst festzustellen, wo das Wasser sei. Zögernd versuchte ich, ihn nachzuahmen. Nachdem ich fünf oder sechs Minuten so schnell geatmet hatte, war mir schwindlig, aber meine Nase war ungewöhnlich frei geworden und ich konnte tatsächlich den Duft von Flußweiden riechen. Ich vermochte aber nicht zu sagen, wo sie standen. Don Juan befahl mir, mich einige Minuten auszuruhen, und dann hieß er mich weiter die Luft zu schnuppern. Das zweitemal war es noch intensiver. Ich konnte sogar feststellen, daß die Weidenduftwolke von rechts heranwehte. Wir brachen in diese Richtung auf und fanden, etwa einen halben Kilometer entfernt, eine sumpfige Stelle mit stehendem Wasser. Wir gingen um sie herum zu einer etwas höhergelegenen flachen Mesa, einer tafelförmigen Bodenformation. Rund um die Mesa stand ein dichter Chaparral.
    »An diesem Ort wimmelt es von Berglöwen und anderen Katzen«, sagte Don Juan beiläufig, als sei das ganz alltäglich. Ich sprang an seine Seite, und er fing an zu lachen. »Normalerweise würde ich nicht hierherkommen«, sagte er. »Aber die kleine Krähe wies mir diesen Weg. Hier muß etwas Besonderes sein.«
»Müssen wir wirklich hier sein, Don Juan?«
»Ja, das müssen wir. Sonst würde ich diesen Ort meiden.« Ich wurde sehr nervös. Er sagte, ich solle aufmerksam auf seine Worte achten.
    »Das einzige, was wir an diesem Ort tun können, ist Löwen jagen«, sagte er. »Ich werde es dich also lehren.
    Es gibt eine besondere Art, Fallen für Wasserratten zu bauen, die in der Nähe von Wasserlöchern leben. Sie dienen als Köder. Die Kanten des Käfigs sind so eingerichtet, daß sie zusammenklappen, und die Seiten sind mit scharfen Stacheln versehen. Wenn die Falle aufgestellt ist, sind die Stacheln verborgen, und sie sind wirkungslos, bis etwas den Käfig berührt. Dann klappen die Kanten zusammen, und die Stacheln durchbohren alles, was die Falle berührt.« Ich verstand nicht, was er meinte, aber er zeichnete ein Diagramm auf den Boden und zeigte es mir: Wenn die Stäbe in scharnierartigen Vertiefungen am Rahmen befestigt wurden, dann klappte der Käfig nach der Seite zusammen, sobald etwas ihn oben berührte. Die Stacheln waren zugespitzte scharfe Hartholzsplitter, die über den ganzen Rahmen verteilt befestigt wurden. Don Juan erklärte, daß man normalerweise eine schwere Ladung Felsbrocken in einem Geflecht aus Stäben über dem Käfig aufhängt und mit diesem verbindet. Wenn der Berglöwe nun zu der mit Wasserratten beköderten Falle kommt, versucht er normalerweise, die Falle mit einem kraftvollen Prankenschlag zu zerstören. Dann dringen die Splitter in seine Pranken ein und die Katze springt vor Schmerz auf, wobei sie die über ihr hängende Steinlawine auslöst. »Vielleicht wirst du eines Tages einen Berglöwen fangen müssen«,

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