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Reise nach Ixtlan.

Reise nach Ixtlan.

Titel: Reise nach Ixtlan. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sagte er. »Sie haben besondere Kräfte. Sie sind unglaublich schlau, und man kann sie nur fangen, wenn man sie durch ihren Schmerz und durch den Duft von Flußweiden überlistet.« Erstaunlich schnell und geschickt fügte er nun eine solche Falle zusammen, und nach längerem Warten fing er drei rundliche, pausbäckige, eichhörnchenartige Nagetiere.
    Er forderte mich auf, eine Handvoll Weidenzweige vom Rand des Sumpfes herzuholen und hieß mich, meine Kleider damit einreiben. Er tat dasselbe. Dann flocht er geschickt zwei einfache Tragnetze aus Schilf, hob aus dem Sumpf einen großen Klumpen grüner Pflanzen und Erde aus und trug ihn zur Mesa hinauf, wo er sich versteckte.
    Inzwischen hatten die eichhörnchenartigen Nager ein lautes Quieken angestimmt. Don Juan sagte mir aus seinem Versteck heraus, ich solle das andere Tragnetz nehmen, einen ordentlichen Batzen Erde und Pflanzen holen und auf die unteren Äste eines Baumes neben die Falle klettern, in der die Nagetiere saßen. Don Juan sagte, er wolle die Katze und die Nagetiere nicht verletzen, darum wolle er den Löwen, wenn er sich der Falle näherte, mit Erdklumpen bewerfen. Er sagte, ich solle gut aufpassen und nach ihm meinen Erdklumpen auf die Katze werfen, um sie zu verscheuchen. Er riet mir, sehr vorsichtig zu sein und nicht vom Baum zu fallen. Schließlich wies er mich noch an, mich so still zu verhalten, daß ich nicht von den Ästen des Baumes zu unterscheiden wäre.
    Ich sah nicht, wo Don Juan sich befand. Das Quieken der Nager wurde sehr laut, und schließlich war es so dunkel, daß ich kaum noch die groben Umrisse des Terrains erkennen konnte. Plötzlich hörte ich ganz nah das Geräusch weicher Schritte und gedämpfte, katzenartige Atemzüge, dann ein leises Grollen, und die eichhörnchenartigen Nagetiere hörten auf zu quieken. Jetzt sah ich auch die dunkle Masse eines Tieres direkt unter dem Baum, auf dem ich hockte. Noch ehe ich mich genau davon überzeugen konnte, ob es ein Berglöwe war, stürzte es sich auf die  Falle, doch bevor es sie erreichte, wurde es von irgend etwas getroffen und schrak zurück. Ich schleuderte meinen Erdklumpen, wie Don Juan mich angewiesen hatte. Er traf zwar nicht, machte aber sehr lauten Lärm. In diesem Moment stieß Don Juan mehrere durchdringende Schreie aus, die mir ein Frösteln über den Rücken jagten, und die Katze sprang mit größter Eile über die Mesa und verschwand. Don Juan fuhr noch eine Weile mit diesen durchdringenden Schreien fort, und dann befahl er mir, vom Baum herabzusteigen, den Käfig mit den Eichhörnchen zu holen, so schnell wie möglich zur Mesa zu rennen und zu ihm zu kommen. Ich brauchte nur unglaublich kurze Zeit, bis ich neben Don Juan stand. Er sagte, ich solle seine Schreie so genau wie möglich nachahmen, um den Löwen fernzuhalten, während er den Käfig zerlegte und die Nagetiere freiließ.
    Ich fing an zu schreien, brachte aber nicht die gleiche Wirkung zustande. Durch die Aufregung war meine Stimme zu heiser. Er sagte, ich solle mich vergessen und mit echtem Gefühl schreien, denn der Löwe sei noch immer in der Nähe. Da wurde ich mir der Situation plötzlich voll bewußt. Der Löwe war real. Ich stieß mehrere großartige, durchdringende Schreie aus. Don Juan lachte schallend. Er ließ mich noch eine Weile schreien, und dann meinte er, wir müßten den Ort möglichst leise verlassen, denn der Löwe sei nicht dumm und würde sich wahrscheinlich an die Stelle zurückpirschen, wo wir waren.
    »Bestimmt wird er uns verfolgen«, sagte er. »Egal wie vorsichtig wir sind, wir werden eine Spur hinterlassen, breit wie der Pan American Highway.«
    Ich ging dicht neben Don Juan. Von Zeit zu Zeit blieb er eine Weile stehen und lauschte. Irgendwann begann er im Dunklen zu laufen, und ich folgte ihm, wobei ich die Hände vor die Augen hielt, um sie vor den Zweigen zu schützen. Schließlich erreichten wir den Fuß der Klippe, auf der wir zuvor gewesen waren. Don Juan sagte, wir seien in Sicherheit, wenn es uns gelänge, hinaufzuklettern, ohne daß der Löwe uns erwischte. Er ging voran, um mir den Weg zu zeigen. Wir begannen in der Dunkelheit zu klettern. Ich weiß nicht wie, aber ich folgte ihm mit völlig sicheren Schritten. Als wir nicht weit vom Gipfel entfernt waren, hörte ich einen eigenartigen Tierschrei. Es war beinahe wie das Muhen einer Kuh, nur, daß es etwas länger anhielt und rauher klang. »Rauf, nach oben!« schrie Don Juan.
    In völliger Dunkelheit krabbelte ich vor Don

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