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Reisen im Skriptorium

Reisen im Skriptorium

Titel: Reisen im Skriptorium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Auster
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Schreibblock auf. Um nicht zu vergessen, was heute schon alles passiert ist – denn Mr.   Blank ist ungemein vergesslich   –, notiert er sich folgende Namen:
    James P.   Flood
    Anna
    David Zimmer
    Peter Stillman junior
    Peter Stillman senior
    Nachdem er diese kleine Aufgabe erledigt hat, klappt er den Block zu, legt den Stift hin und schiebt beides beiseite. Dann greift er nach den oberen Blättern des Stapels ganz links und stellt fest, dass sie zusammengeheftet sind, insgesamt etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Blätter, und als er das Bündel vor sich hinlegt, stellt er des Weiteren fest, dass es sich um das Typoskript handelt, in dem er vor Annas Eintreten gelesen hat. Er nimmt an, sie hat die Blätter zusammengeheftet – um es ihm einfacher zu machen   –, und als er sieht, dass es kein sehr langer Text ist, fragt er sich, ob ihm wohl Zeit genug bleibt, das Ganze zu lesen, bevor James P.   Flood bei ihm an die Tür klopft.
    Er schlägt die zweite Seite auf und beginnt den vierten Absatz zu lesen:
    In den vergangenen vierzig Tagen bin ich nicht geschlagen worden, und weder der Colonel noch irgendeinerseiner Männer haben sich bei mir blicken lassen. Der Einzige, den ich gesehen habe, ist der Sergeant, der mir das Essen bringt und den Schmutzkübel ausleert. Ich habe mich bemüht, höflich mit ihm umzugehen, habe immer eine kleine Bemerkung gemacht, wenn er kam, aber er hat offenbar Befehl, sich stumm zu verhalten, und so habe ich diesem Riesen in der braunen Uniform nicht ein einziges Wort entlocken können. Dann, vor weniger als einer Stunde, geschah etwas Außerordentliches. Der Sergeant schloss die Tür auf, und zwei junge Gefreite trugen einen kleinen Holztisch und einen Stuhl herein. Sie stellten die Sachen mitten im Raum ab, und dann trat der Sergeant ein und legte einen dicken Packen weißes Papier auf den Tisch, dazu ein Tintenfass und einen Füllfederhalter.
    – Sie dürfen schreiben, sagte er.
    – Ist das Ihre Art, Konversation zu machen, fragte ich, oder versuchen Sie, mir einen Befehl zu geben?
    – Der Colonel sagt, Sie dürfen schreiben. Das können Sie auffassen, wie Sie wollen.
    – Und wenn ich nicht schreiben will?
    – Es steht Ihnen frei zu tun, was Sie wollen, aber der Colonel sagt, es ist unwahrscheinlich, dass ein Mann in Ihrer Lage die Gelegenheit verstreichen lässt, sich schriftlich verteidigen zu können.
    – Ich nehme an, er hat vor zu lesen, was ich schreibe.
    – Das ist eine vernünftige Annahme, ja.
    – Wird er es später in die Hauptstadt schicken?
    – Er hat von seinen Absichten nichts verlauten lassen. Er hat lediglich gesagt, dass Sie schreiben dürfen.
    – Wie viel Zeit habe ich?
    – Über das Thema wurde nicht gesprochen.
    – Und wenn mir das Papier ausgeht?
    – Sie erhalten so viel Tinte und Papier, wie Sie brauchen. Der Colonel wollte, dass ich Ihnen das sage.
    – Richten Sie dem Colonel meinen Dank aus, und sagen Sie ihm, ich verstehe, warum er das tut. Er gibt mir eine Chance, die Ereignisse falsch darzustellen, um meinen Hals zu retten. Das ist eine sehr faire Geste. Bitte sagen Sie ihm, dass ich das zu schätzen weiß.
    – Ich werde es dem Colonel ausrichten.
    – Gut. Jetzt lassen Sie mich in Frieden. Wenn er will, dass ich schreibe, werde ich schreiben, aber um das zu tun, muss ich allein sein.
    Ich hatte natürlich nur geraten. Die Wahrheit ist, dass ich keine Ahnung habe, warum der Colonel das von mir will. Ich würde mir gern vorstellen, dass er Mitleid mit mir bekommen hat, bezweifle jedoch, dass die Antwort so einfach sein kann. Colonel De Vega ist schwerlich ein mitfühlender Mensch, und sollte er mir das Leben tatsächlich etwas weniger unangenehm machen wollen, wäre es schon eine seltsame Vorgehensweise, mich dafür ausgerechnet mit Schreibwerkzeug auszustatten. Ein Manuskript voller Lügen würde ihm gut in den Kram passen, aber er kann doch nicht im Ernst annehmen, dass ich bereit bin, zu diesem späten Zeitpunkt noch etwasan meiner Geschichte zu ändern. Er hat bereits versucht, mich zum Widerruf zu zwingen, und wenn ich es nicht getan habe, als man mich fast totgeschlagen hat, warum sollte ich es dann jetzt tun? Am Ende dürfte es sich um eine Vorsichtsmaßnahme handeln, er will gewappnet sein für das, was im weiteren Verlauf geschehen könnte. Zu viele Leute wissen, dass ich hier bin, als dass er mich ohne Prozess exekutieren könnte. Andererseits gilt es einen Prozess um jeden Preis zu vermeiden – denn sobald die Sache vor Gericht

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