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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vollständig gelang, so ließ sich der Gegner doch davon täuschen.
    »Da ist sie! Da ist sie!« sagte Johnson leise.
    Die Robbe, die sich nun leise nach der Seite des Thieres heranschlich, schien dasselbe gar nicht zu bemerken; sie schien einen Spalt zu suchen, um in ihr nasses Element zurückzukehren.
    Der Bär seinerseits schlich sich um einige Eisschollen und näherte sich ihr mit größter Vorsicht, doch aus seinen flammenden Augen sprach die brennende Begierde; seit einem, vielleicht seit zwei Monaten fastete er wohl, und jetzt warf ihm der Zufall eine sichere Beute in den Weg.
    Nur zehn Schritte noch war die Robbe von ihrem Feinde entfernt; – dieser raffte sich auf, machte einen gewaltigen Sprung und blieb voll Staunen und Schrecken drei Schritte vor Hatteras stehen, der das Fell abgeworfen hatte und auf den Knieen liegend schon nach des Bären Herzen zielte.
    Der Schuß krachte – das Ungethüm wälzte sich auf dem Eise.
    »Vorwärts! Vorwärts!« schrie der Doctor.
    Von Johnson gefolgt, eilte er nach dem Kampfplatze.
    Das große Thier hatte sich wieder aufgerichtet, focht mit der einen Tatze in der Luft, und raffte mit der anderen Schnee auf, den es auf seine Wunde schob.
     

    Ein betrogener Eisbär. (S. 294.)
     
    Hatteras, ohne zu straucheln, wartete mit dem Messer in der Hand. Aber er hatte trefflich gezielt und mit sicherer Hand jenem eine gut sitzende Kugel zugesendet. Schon bevor seine Leute eintrafen, hatte er auch sein Messer dem Unthier bis an’s Heft in die Kehle gestoßen, das nun vollends umfiel, um sich nicht wieder zu erheben.
    »Sieg! Sieg! rief Johnson, und
    – Hurrah! Hurrah!« der Doctor.
    Hatteras betrachtete in aller Gemüthsruhe mit gekreuzten Armen den gigantischen Körper.
    »Nun habe ich zu thun, sagte Johnson. Es war zwar die Hauptsache, das Stück Wild abzuthun, aber wir wollen nicht warten, bis es zu Stein gefroren ist, dann möchten unsere Zähne und unsere Messer nicht viel damit anfangen können.«
    Johnson begann demnach das große Thier abzuhäuten, welches an Größe fast einem Stiere gleich kam; es hatte neun Fuß in der Länge bei sechs Fuß Umfang; zwei tüchtige Fangzähne von drei Zoll Länge starrten aus seinen Kiefern.
    Als Johnson den Bären öffnete, fand er nur Wasser in dessen Magen; offenbar hatte er seit langer Zeit Nichts gefressen; dennoch war er reichlich fett und wog über fünfzehnhundert Pfund. In vier Theile zertheilt lieferte jedes zweihundert Pfund Fleisch, und freudig schleppten die Jäger diese Fleischmasse nach der Eishütte, ohne das Herz des Thieres zu vergessen, das drei Stunden vorher noch kräftig geschlagen hatte.
    Des Doctors Genossen hätten sich gerne sogleich auch auf das rohe Fleisch gestürzt, aber dieser hielt sie zurück, bis dasselbe geröstet sein werde.
    Als Clawbonny in das Eishaus zurückkehrte, fiel es ihm auf, daß es darin so kalt war; das Feuer im Ofen fand er denn auch vollkommen erloschen.
    Die Beschäftigungen am frühen Morgen und die darauf folgenden erregten Scenen hatten Johnson, dem das Nachlegen eigentlich zukam, seine Pflichten versäumen lassen.
    Der Doctor wollte das Feuer wieder entzünden, aber er fand auch kein Fünkchen mehr in der kalten Asche.
    »Nun denn, etwas Geduld«, sagte er für sich.
    Er ging nach dem Schlitten, um Feuerschwamm zu holen, und verlangte von Johnson dessen Stahl und Stein.
    »Der Ofen ist erloschen! sagte er.
    – Ei, daran bin ich Schuld«, erwiderte Johnson.
    Dieser suchte nun das Feuerzeug in der Tasche, in der er es immer trug, und wunderte sich, es nicht darin zu finden; er visitirte auch seine anderen Taschen vergebens; im Hause wandte er seine Lagerstätte nach allen Seiten um – vergebens.
    »Nun?« fragte der Doctor.
    Johnson kam zurück und sah seine Gefährten an.
    »Ja das Feuerzeug, haben Sie es nicht etwa, Herr Clawbonny?
    – Nein, Johnson.
    – Auch Sie nicht, Kapitän?
    – Nein, erwiderte Hatteras.
    – Sie haben es doch immer selbst gehabt, sagte der Doctor.
    – Ja wohl! Aber ich habe es nicht mehr … murmelte erblassend der alte Seemann.
    – Nicht mehr?!« rief der Doctor, der unwillkürlich erzitterte.
    Es war kein anderes Feuerzeug vorhanden und der Verlust jenes einzigen konnte sehr üble Folgen haben.
    »Suchen Sie ordentlich, Johnson«, mahnte der Doctor.
    Dieser lief nach dem Schollenhaufen, von dem aus er den Bär beobachtet hatte; dann nach der Stelle, wo der Bär getödtet wurde und er ihn ausgeweidet hatte. Aber verzweifelnd kam er mit leerer Hand

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