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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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tagte; er stieß einen so lauten Schrei aus, daß seine Gefährten ihn hören konnten, und ihre Angst war groß, als sie ihn vollen Laufes den Hügel herabeilen sahen.
    »Ei! Was ist das?« fragte Johnson.
    Der athemlose Doctor konnte kein Wort hervorbringen. Endlich sagte er:
    »Die Spuren … die Schritte … die Reisegesellschaft! …
    – Nun, was? forschte Hatteras, … Fremde hier!
    – Nein! … Nein! erwiderte der Doctor, das Objectiv …, mein Objectiv … mir …«
    Er zeigte das unvollständige Instrument.
    »Ah, rief der Amerikaner, … Sie hatten das verloren?
    – Ja!
    – Nun aber, die Fußtapfen …
    – Waren die unserigen, Freunde, die unserigen! rief der Doctor. Wir hatten uns im Nebel verirrt, sind im Kreise gegangen und auf unsere eigenen Spuren zurückgekommen.
    – Aber dieser Abdruck von Schuhen? sagte Hatteras.
    – Rührt von Bell’s Schuhen, von Bell selbst her, der, nachdem er seine Schneeschuhe zerbrochen hatte, einen ganzen Tag durch den Schnee wanderte.
    – Das ist wirklich wahr«, bekräftigte Bell.
    Der Irrthum war so augenscheinlich, daß Alle laut auflachten, nur Hatteras nicht, der bei dieser Entdeckung doch sicher nicht der am wenigsten Glückliche war.
    »Da haben wir uns recht lächerlich gemacht, fuhr der Doctor fort, als sich der Ausbruch der Heiterkeit legte. Hübsche Voraussetzungen, die wir machten! Fremde auf dieser Küste! Da sieht man, daß man sich erst überlegen soll, bevor man spricht. Doch da wir in dieser Hinsicht unserer Unruhe enthoben sind, bleibt uns nur übrig, abzufahren.
    – Vorwärts denn!« befahl Hatteras.
    Nach einer Viertelstunde hatte Jeder in der Schaluppe seinen Platz eingenommen, und diese verließ, als das Focksegel entfaltet und der Klüverbaum gehißt war, rasch Altamont-Harbour.
    Diese Meerüberfahrt begann Mittwochs, am 10. Juli; die Schiffer befanden sich dem Pole sehr nahe, genau hundertfünfundsiebenzig Meilen. Für den Fall, daß an diesem Punkte der Erdkugel noch ein Land lag, mußte die Seefahrt also eine sehr kurze sein.
    Der Wind war schwach, aber günstig; das Thermometer zeigte fünfzig Grad über Null (+ 10° hunderttheilig); es war ordentlich warm.
    Die Schaluppe hatte durch den Schlittentransport nicht gelitten; sie war in vollkommen gutem Zustande und lenkte sich leicht. Johnson führte das Steuer. Der Doctor, Bell und der Amerikaner hatten sich mitten zwischen den Reise-Effecten, die über und unter dem Deck verstaut waren, bestens eingerichtet. Hatteras, der vorn saß, heftete seinen Blick nach dem geheimnißvollen Punkte, nach dem er sich mit geheimer Kraft, wie die Magnetnadel nach ihrem Pole, hingezogen fühlte. Wenn irgend ein Ufer in Sicht käme, wollte er es zuerst entdecken. Diese Ehre verdiente er wohl vollkommen.
    Er bemerkte übrigens, daß die Oberfläche des Polarmeeres solche kurze Wellen zeigte, wie sie auf den Binnenmeeren vorzukommen pflegen. Er sah darin ein Vorzeichen nicht zu fernen Landes, und der Doctor theilte in dieser Beziehung seine Meinung.
    Man begreift unschwer, wie Hatteras so lebhaft wünschen mußte, einen Continent am Nordpole anzutreffen. Welche Enttäuschung harrte seiner, wenn da das unbeständige, unfaßbare Meer sich ausdehnte, wo ein Stückchen Land, und wenn es noch so klein war, dazu gehörte, seine Projecte zu krönen! Und wirklich, wie sollte man einem unbestimmten Meerestheile einen speciellen Namen geben? Wie sollte er auf offenem Wasser die Flagge seines Vaterlandes aufpflanzen? Wie endlich im Namen Ihrer huldvollen Majestät von einem Theile des flüssigen Elementes Besitz ergreifen?
    So blickte denn auch Hatteras unverwandten Auges, die Bussole in der Hand, in äußerster Spannung nach dem Norden.
    Nichts aber zeigte sich bis zum Horizonte, was die Fläche des Polarbeckens begrenzte; weit entfernt verschmolz es mit dem reinen Himmel dieser Gegenden. Einige in’s weite Meer entfliehende Eisberge schienen den Schifffahrern freie Fahrt zu machen.
    Der Anblick dieser Gegend war ein besonders fremdartiger. Machte er diesen Eindruck nur auf den hocherregten und überreizten Geist der Reisenden? Es ist das schwer zu entscheiden. Doch hat der Doctor in seinen Tagesnotizen die bizarre Physiognomie dieses Oceans gezeichnet; er spricht darüber, wie Penny, nach welchem diese Gegenden einen Anblick, »der im stärksten Contraste zu einem von Millionen lebender Wesen bevölkerten Meere« steht, bieten sollen.
    Die Wasserfläche, welche in den unbestimmten Nuancen von Lasurblau gefärbt war,

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