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Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras

Titel: Reisen und Abenteuer des Kapitän Hatteras Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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des Windes suchte er die Nähe eines Landes zu erspähen. Seine Stirn war nach vorn geneigt, und wer seine Gedanken nicht gekannt hätte, würde ihn doch bewundert haben, so sprachen sich in seiner ganzen Erscheinung die brennendsten Wünsche und die ängstlichsten Fragen aus!
Fußnoten
    1 Diese Zahl entzieht sich ganz unserem Begriffsvermögen, deshalb sagte der englische Wallfischjäger, um sie anschaulicher zu machen, achtzigtausend Individuen würden von Erschaffung der Welt ab bis heute Tag und Nacht daran zu zählen haben.
     

Zweiundzwanzigstes Capitel.
Annäherung an den Pol.
    In dieser spannenden Ungewißheit verfloß die Zeit. An dem so klar gezeichneten Umkreis ließ sich nichts wahrnehmen: Nichts als Himmel und Meer; nicht einmal auf der Oberfläche des Wassers ein Hälmchen von Landgewächsen, wie es einst Columbus das Herz erfreute.
    Hatteras schaute unablässig.
    Endlich, gegen sechs Uhr Abends, zeigte sich über dem Meeresspiegel ein Dampf von unbestimmter Gestalt, aber merklich hoch aufsteigend, fast wie eine Rauchsäule. Bei völlig reinem Himmel konnte man’s nicht für eine Wolke halten; mitunter verschwand er, dann kam er wieder zum Vorschein, wie in heftiger Bewegung.
    Hatteras beobachtete die Erscheinung zuerst, richtete sein Fernrohr auf den unerklärlichen Dampf und beobachtete ihn eine volle Stunde unausgesetzt.
    Plötzlich kam ihm vermuthlich ein sicheres Kennzeichen zur Anschauung; er streckte den Arm nach dem Horizont aus, und rief mit lauthallender Stimme:
    »Land! Land!«
    Bei diesem Wort sprang Jeder auf, wie von einem elektrischen Schlag getroffen.
    Eine Art Rauch stieg merklich hoch über der Meeresfläche auf.
    »Ich sehe es! Ich seh’s! rief der Doctor aus.
    – Ja! Gewiß! … Ja, fiel Johnson ein.
    – Eine Wolke, sagte Altamont.
    – Land! Land!« erwiderte Hatteras mit unerschütterlicher Ueberzeugung.
    Die fünf Seemänner fuhren fort, mit gespanntester Aufmerksamkeit zu beobachten.
    Aber wie es oft geschieht, wenn man der Entfernung wegen Gegenstände unbestimmt sieht, der beobachtete Punkt schien wieder verschwunden. Endlich konnten die Blicke ihn von Neuem wahrnehmen, und der Doctor glaubte sogar zwanzig bis fünfundzwanzig Meilen weit nordwärts einen flüchtigen Schimmer zu erkennen.
    »Es ist ein Vulkan! rief er aus.
    – Ein Vulkan? fragte Altamont.
    – Ganz gewiß.
    – Unter so hohem Breitegrad!
    – Und warum nicht? fuhr der Doctor fort; ist nicht Island ein vulkanisches Land, und so zu sagen durch Vulkane entstanden?
    – Ja! Island, versetzte der Amerikaner; aber so in der Nähe des Pols!
    – Nun, hat nicht unser berühmter Landsmann, der Commandeur James Roß, festgestellt, daß es auf dem Südpol-Land unter 170° Länge und 78° Breite zwei Vulkane, Erebus und Terror, in voller Thätigkeit giebt? Warum sollten nicht ebenso am Nordpol Vulkane existiren?
    – Wohl möglich, erwiderte Altamont.
    – Ei! Nun sehe ich’s deutlich, rief der Doctor, es ist ein Vulkan!
    – Nun denn, sagte Hatteras, steuern wir gerade darauf los.
    – Der Wind fängt an widrig zu werden.
    – Ziehen Sie das Focksegel bei, so nahe wie möglich.«
    Aber dieses Manöver führte die Schaluppe nur von dem beobachteten Punkt ab, und man konnte ihn mit den achtsamsten Blicken nicht wieder zu sehen bekommen.
    Doch war an der Nähe der Küste nicht mehr zu zweifeln. Hier lag also das Reiseziel vor Augen, wenn es auch noch nicht erreicht war, und es sollte wohl keine vierundzwanzig Stunden mehr dauern, bis dieser neue Boden von eines Menschen Fuß betreten ward. Nachdem die Vorsehung den kühnen Seeleuten so nahe zu kommen gestattet, würde sie ihnen doch wohl das Landen nicht versagen.
    Dennoch gab unter den gegenwärtigen Umständen Niemand eine solche Freude kund, wie sie solch’ eine Entdeckung hervorrufen mußte; Jeder verschloß sich in seinem Innern, und fragte sich, was es wohl mit diesem Pol-Land für eine Bewandtniß habe. Die Thiere schienen es zu meiden; am Abend sah man die Vögel, anstatt daselbst eine Zuflucht zu suchen, raschen Flugs nach dem Süden eilen! War’s denn ein so ungastliches Land, daß eine Möve oder ein Ptarmigan daselbst keine Zuflucht fanden? Selbst die Wallfische sah man in den durchsichtigen Gewässern eilig von dieser Küste flüchten. Woher kam das Gefühl des Widrigen, wo nicht des Schreckens, wovon alle lebenden Wesen in dieser Weltgegend beseelt waren?
     

    Unsere Seefahrer theilten die allgemeine Empfindung; sie gaben sich den Gefühlen ihrer Lage

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