Reispudding mit Zimt (German Edition)
sich vor Schreck zusammen.
„Welche Beerdigung?“, frage ich vorsichtig.
„Na, die von Tante Clara, natürlich.“
„Von Tante Clara ! Clara ist tot?“, schreie ich in das Telefon.
Andreas stutzte „Wie, willst du mir allen Ernstes sagen, dass du in Aldeburgh bist und noch nichts davon weißt?“
„Ich weiß von nichts. Ich wohne doch nicht mehr bei ihr.“
„Clara hat einen Schlaganfall gehabt. Sie ist auf ihrer Terrasse zusammen gebrochen. Ein Tourist hat sie gesehen und hat sofort einen Notarzt bestellt. Ein Krankenwagen hat sie sofort ins Krankenhaus in die Park Road gebracht, aber dort ist sie gestorben.
Ihr Anwalt hat die Beerdigung veranlasst. Die ist morgen früh. Mama und Papa haben aus Indien angerufen und mich gebeten, dich anzurufen, dass du unbedingt hingehen sollst, damit wenigstens Einer von der Familie dabei ist.“
„Du meine Güte“, stammele ich, „Ich hatte keine Ahnung. Und Mama kommt nicht zur Beerdigung ihrer eigenen Schwester? Ich fasse es nicht.“
„Wie soll sie auch? Sie ist auf der anderen Hälfte des Erdballs. Um so wichtiger ist es, dass du sie vertrittst. Morgen um 11 ist die Trauerfeier, und zwar in der St. Peter and St. Paul Church.“
Zitternd sage ich: „Dann werde ich wohl hingehen. Aber eins schwöre ich dir, Bruderherz, wenn ich einmal sterbe, und du kommst nicht auf meine Beerdigung, dann komme ich nachher und spuke bei dir.“
„Abgemacht“, sagt Andreas. Dann sagt er sanft: „und – Anna – es tut mir Leid, dass du es nicht gewusst hast. Ich hätte es dir sonst schonender beigebracht.“
„Lieb von dir“, sage ich jetzt. Ich merke, wie mir die Stimme versagt und hänge rasch auf.
Clara ist tot!
Die Tränen bahnen sich ihren Weg über mein Gesicht.
Gladys stellt die Schüssel weg, kommt zu mir und legt ihre Arme um mich.
„Du armes Kind“, sagt sie, „was für ein Schock. Ich weiß gar nicht, wie es kommt, dass wir davon noch nichts erfahren haben. Es hätte doch eine Todesanzeige in der Zeitung stehen müssen.“
Ich wische meine Tränen mit dem Schlafanzugärmel ab. „Vielleicht, weil sie keine Verwandten hat, die das für sie erledigen würden. Oh, es ist alles so traurig.“
Ich entschuldige mich und gehe hinauf in mein Zimmer, wo ich noch eine ganze Weile weine. Auch wenn ich zuletzt keine tolle Beziehung zu Clara gehabt habe, so ist sie doch für mich eine Vertraute gewesen. Seit meiner Kindheit an gehören Clara und Aldeburgh unzertrennlich zusammen. Ich denke jetzt auch, wie unendlich froh ich bin, dass Chris mich neulich noch dazu gedrängt hat, das Gläschen Wein mit Clara auf ihrer Terrasse zu trinken. Wie viel grässlicher würde ihr Tod für mich sein, wenn ich das Gefühl hätte, mit ihr immer noch im Streit zu sein.
Über den Tag, der so hoffnungsvoll und sonnig begonnen hat, ist ein schwarzer Schatten gefallen. Ich ziehe mir etwas über und gehe hinunter an den Strand. Da setze ich mich auf eine Bank und sehe hinaus auf das Meer.
Die Wellen rollen unermüdlich heran, überschlagen sich sanft auf den Kieselsteinen und ziehen sich wieder zurück. In der Ferne kreuzt ein großes Segelschiff. Vorne an der Spülkante rennen langbeinige Vögel immer hinter der Wasserkante her, als wollen sie das Wasser mit ihren langen, spitzen Schnäbeln fangen und festhalten.
Dabei piepsen sie fröhlich und aufgeregt.
Diesen Blick wird Clara nie wieder betrachten können. Ich habe das Gefühl, als müsse ich ihn umso intensiver in mein eigenes Gedächtnis einbrennen. Vielleicht kann sie ihn ja irgendwie in telepathischen Wellen im Jenseits über mich empfangen, wer weiß?
Nach einer Weile stehe ich auf und wandele wie unbewusst zu Claras Haus. Es liegt in seiner ganzen Pracht da, eingenestelt zwischen seinen Nachbarhäusern. Die blaue Fassade strahlt hell in der Morgensonne. Im oberen Stock ist ein Fenster leicht hoch geschoben und die weißen Vorhänge bewegen sich in der leichten Brise. Mir ist so, als würde mir Clara gleich zuwinken. Mein Blick fällt auf die Terrasse. Eine Decke liegt über einer Stuhllehne. Die Polster liegen auf den Stühlen. Da steht doch noch immer eine Teekanne und eine Tasse. Es ist Claras teures Geschirr, das Royal Doulton. Ich gehe hin, schiebe das Gartentor auf und beginne, das Geschirr behutsam auf das Tablett zu stellen, das auf einem Stuhl abgestellt ist. Ich fasse an die Decke, die sich vom Nachttau ganz klamm anfühlt. An der Seite ist eine Wäscheleine, da kann ich sie ja zum trocknen drüber
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