Reispudding mit Zimt (German Edition)
ich, wie gut, dass Chris mich dazu veranlasst hat, mich mit ihr noch einmal zu treffen. Sonst wäre dieser Augenblick hier und jetzt in ihrem Zimmer fast unerträglich. Zumal sie mich so überaus großzügig bedacht hat.
Auf Zehenspitzen husche ich herum und räume auf, als hätte ich Angst, jemanden zu stören. Ich mache das Bett. Ich sammele einige verstreute Kleidungsstücke auf und werfe sie in den Wäschekorb. Ich hole eine Gießkanne und gieße die Orchidee, die auf dem Fensterbrett steht. Dann sehe ich kurz in das Nachbarzimmer, mein ehemaliges Zimmer. Es ist aufgeräumt. Das Bett ist zwar abgezogen, aber die Decke und das Kissen liegen ordentlich drauf. Ob Clara insgeheim gehofft hat, dass ich einfach wieder auftauche und wieder bei ihr einziehe? Ich gehe zum Fenster und sehe hinaus. Jetzt ist der Strand voller Badegäste, die sich dort sonnen und erholen. Das große Schiff ist weiter gesegelt und kaum noch am Horizont zu erkennen.
Mein Zimmer. Mein Fenster. Mein Blick.
Leise husche ich wieder nach unten.
Ich gehe zur Haustür, verlasse das Haus und drehe den Schlüssel im Schloss um.
Als ich auf dem Crag Path wieder zurück zur Slaughden Road gehe, stolpere ich wie eine Schlafwandlerin entlang. Vielleicht träume ich wirklich. Bestimmt werde ich gleich aufwachen.
Aber als ich vor Gladys und Lens Haus stehe, sehe ich auf meine Hand herunter. Darin liegt das Schlüsselbund zu Claras Haus.
Gladys ist gerade dabei, im Wohnzimmer Staub zu saugen. Als ich hinein komme, schaltet sie den Staubsauger aus und sieht mich an.
„Du armes Kind“, begrüßt sie mich, „es ist schon hart für dich. Du siehst ganz blass aus. Komm, setzt dich hin. Ich mache dir eine schöne Tasse Tee.“
Ich lasse mich in das Sofa fallen und lausche, wie sie in der Küche klappert.
Da klingelt es an der Haustür. Gladys huscht hin und macht auf. Dann eilt sie wieder in die Küche und sagt dabei: „Da werde ich wohl ein bisschen mehr Tee aufsetzten müssen.“
Chris steht im Zimmer mit ausgebreiteten Armen. „Wir haben eine Stunde Probenpause. Da dachte ich, ich schau mal vorbei.“
Ich werfe mich an seine Brust und fange sofort an zu weinen.
„Anna“, fragt er erschrocken, „was ist denn bloß los?“
Gladys kommt mit dem Teetablett. „Ihre Tante Clara ist gestorben. Ganz plötzlich.“
Wir setzen uns und ich erzähle unter Schniefen, wie wir es erfahren haben.
Chris tröstet mich so gut er kann.
Ich trinke einen Schluck von dem heißen, starken Tee, dann stelle ich meine Tasse ab.
„Ihr wisst noch nicht alles“, sage ich.
Sie sehen mich verwundert und fragend an.
„Ich war bei ihrem Haus. Dort habe ich ihren Anwalt getroffen. Er hat mir eröffnet, dass ich das Haus geerbt habe.“
Jetzt ist die Aufregung groß. „Du, Anna? Du bist die Besitzerin eines ganzen Hauses?“, ruft Gladys.
Chris schüttelt ungläubig den Kopf. „Bist du dir ganz sicher, dass es sich um keinen Irrtum handelt?“
Ich nicke stumm.
„Hat man Worte“, sagt Gladys, „ist mit knapp zwanzig Jahren Hausbesitzerin!“
Ich sehe trüb vor mich hin. „Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich tun soll. Clara hat doch nie geahnt, dass sie so früh sterben würde. Was mache ich nur mit einem ganzen Haus?“
Gladys meint: „Jetzt ziehst du sicher bei uns aus. Wie schade.“
„Nein“, ich schüttle meinen Kopf, „bestimmt noch nicht. Ich muss erst einmal nachdenken. Ich muss überlegen, wie es weitergeht. Ich bleibe bestimmt noch ein Weilchen bei Euch.“
Chris sagt: „Du hast Recht, Anna. Du musst doch nichts überstürzen. Lass dir Zeit und schau erst einmal, wie alles kommt.“ Dann springt er auf. „Und jetzt gehen wir schwimmen.“
„Das tut mal“, sagt Gladys munter, „Ich koche uns etwas Schönes und du bleibst zum Essen hier, Chris. Das Schwimmen wird Anna sicher gut tun.“
Ich eile in mein Zimmer. Im Spiegel sehe ich meine roten, verweinten Augen. Ich gehe ins Bad und wasche mein Gesicht mit kaltem Wasser. Dann ziehe ich mir meinen Bikini an. Darüber ziehe ich ein Strandkleid.
Wir gehen Hand in Hand an den Strand. Vor Ort suchen wir uns einen freien Platz, was heute bei dem Sonnenwetter nicht leicht ist. Dort legen wir unsere Handtücher hin.
Schnell streife ich mein Kleid ab. Chris zieht seine Jeans und sein T-Shirt aus.
Er hatte einen tollen Körper, das kann ich gleich sehen. Ob er wohl Hanteltraining macht, oder kommt es nur davon, dass er immer die schwere Tuba tragen muss? Er sieht ungeheuer athletisch
Weitere Kostenlose Bücher